Wen die Goetter strafen
aus, und weshalb benutzt du solche Ausdrücke?«
»Ich hab nicht gewusst, dass sie Serbisch kann.«
»Ich muss wieder ins Studio, Kemal«, sagte sie, als sie vor ihrem Wohnhaus anlangten. »Kommst du hier allein klar?«
»Top.«
Als Kemal das zum ersten Mal zu ihr gesagt hatte, hatte Dana gedacht, er hätte sie nicht verstanden, doch sie begriff rasch, dass dies zu dem Geheimjargon gehörte, den die jungen Leute sprachen. »Top« hieß so viel wie »ja«. Angehörige des anderen Geschlechts wurden als »Knies« bezeichnet –
k
nackig,
n
iedlich und
s
charf. Alles war entweder cool oder geil, krass oder mega. Wenn ihm etwas nicht gefiel, war es ätzend.
Dana holte das Zeugnis heraus, das Mrs. Kostoff ihr gegeben hatte. Sie kniff die Lippen zusammen, als sie es las. Geschichte vier. Englisch vier. Naturkunde vier. Sozialkunde sechs. Mathematik eins.
Ach Gott, was soll ich nur machen?
, dachte Dana, während sie das Zeugnis betrachtete. »Darüber sprechen wir ein andermal«, sagte sie. »Ich bin spät dran.«
Kemal war Dana ein Rätsel. Wenn sie beisammen waren, benahm er sich tadellos, er war liebevoll, zuvorkommend und reizend. Am Wochenende zogen Dana und Jeff mit ihm kreuz und quer durch Washington, gingen in den National Zoo mit seinem sehenswerten Aufgebot an wilden Tieren und betrachteten die aus den Dschungeln Chinas stammenden Riesenpandas. Sie besuchten das National Air & Space Museum, wo sie Kemal die von der Decke baumelnde Maschine zeigten, mit der die Gebrüder Wright den ersten Motorflug unternommen hatten, besichtigten das Skylab und fassten das Mondgestein an. Sie gingen ins Kennedy Center und zum Arena Stage. Sie luden Kemal zu einer Pizza bei Tom Tom ein, zu Tacos bei Mextec und Brathähnchen nach Südstaatenart bei Georgia Brown's. Kemal genoss jede einzelne Sekunde. Er liebte diese gemeinsamen Unternehmungen mit Dana und Jeff über alles.
Doch wenn Dana zur Arbeit gehen musste, verwandelte sich Kemal in einen anderen Menschen. Er wurde feindselig und widerspenstig. Dana konnte auf Dauer keine Haushaltshilfe halten, und die Mädchen, die abends auf Kemal aufpassten, erzählten die reinsten Horrorgeschichten.
Jeff und Dana versuchten gütlich auf ihn einzuwirken, doch es nützte nichts.
Vielleicht braucht er psychologischen Beistand
, dachte Dana. Sie hatte keine Ahnung, welche Ängste und Schrecken Kemal plagten.
Die Abendnachrichten von WTN gingen über den Äther. Richard Melton, Danas gut aussehender Ko-Moderator, und Jeff Connors saßen neben ihr.
»...und nun zum Ausland«, sagte Dana gerade. »Zwischen England und Frankreich gibt es nach wie vor Reibereien wegen des Rinderwahnsinns. Ein Bericht von René Linaud aus Reims.«
»Schalten Sie auf Satellit«, befahl Anastasia Mann im Regieraum.
Eine Viehweide inmitten einer typisch französischen Landschaft tauchte auf den diversen Bildschirmen auf.
Die Studiotür ging auf, und etliche Männer kamen herein und gingen auf das Moderatorenpult zu.
Alle blickten auf. »Dana, Sie kennen doch Gary Winthrop«, sagte Tom Hawkins, der ehrgeizige junge Produzent der Abendnachrichten.
»Natürlich.«
Leibhaftig sah Gary Winthrop noch besser aus als auf den Fotos. Er war Mitte vierzig, hatte strahlend blaue Augen, lächelte freundlich und sprühte förmlich vor Charme.
»So trifft man sich wieder, Dana. Danke, dass Sie mich eingeladen haben.«
»Ich danke Ihnen, dass Sie gekommen sind.«
Dana blickte sich um. Ein halbes Dutzend Sekretärinnen, die alle so taten, als hätten sie hier etwas Dringendes zu tun, tummelte sich mit einem Mal im Studio.
Gary Winthrop ist so was bestimmt gewohnt
, dachte Dana amüsiert.
»Ihr Beitrag kommt in ein paar Minuten. Setzen Sie sich doch zu mir. Das ist Richard Melton.« Die beiden Männer schüttelten sich die Hand. »Jeff Connors kennen Sie ja bestimmt, nicht wahr?«
»Selbstverständlich. Sie sollten selber wieder antreten, Jeff, statt nur von den Spielen zu berichten.«
»Ich wünschte, ich könnte es«, erwiderte Jeff zerknirscht.
Der Beitrag aus Frankreich ging zu Ende, und danach kam eine Werbepause. Gary Winthrop nahm Platz und wartete, bis der letzte Spot vorüber war.
»Bitte bereithalten«, meldete sich Anastasia Mann aus dem Regieraum. »Wir spielen das Band ein.« Lautlos zählte sie mit dem Zeigefinger ab. »Drei... zwei... eins.«
Auf dem Monitor tauchte das Portal des Georgetown Museum of Art auf. Ein Kommentator mit dem Mikrofon in der Hand trotzte tapfer dem kalten Wind.
»Wir
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