Wen die schwarze Göttin ruft
Ausrutscher gemacht haben, von dem sich das Volk offenbar noch nicht erholt hat.«
»Jetzt kann ich Dombonos Benehmen verstehen. Er will nicht, daß dieser Junge einmal Gottkönig von Urapa wird. Mensch, Huber, Sie haben da eine verdammte Aufgabe übernommen. Retten Sie Sikinophis, sind wir frei, aber Dombono wird versuchen, den Jungen irgendwie umzubringen. Stirbt der kleine Kerl auf dem OP-Tisch oder postoperativ, schlitzt man uns auf und opfert unsere Herzen dem Regengott. Was Sie machen – es ist immer das Falsche!« Stricker klemmte die Hände zwischen seine Knie. Sie zitterten heftig.
»Wie kommen wir da nur wieder raus?«
»Wir sollten Dombono töten!« sagte Bret Philipps mit britischer Gelassenheit.
»Verrückt!«
»Haben Sie einen anderen Vorschlag, Doktor?«
»Nein!« Stricker schüttelte den Kopf. »Dombono hat die ganze Priesterschaft hinter sich. Es gibt hier zwei Gruppen: die Priester und die Anhänger der Königin. Sikinika weiß das genau. Sie ist ganz einsam, deshalb sitzt sie so auf ihrem goldenen Thron. Im Grunde ein armes Weib! Alles, was sie hat, ist ihr Sohn. Daß sie es durchgesetzt hat, uns zu entführen, nur weil ich ein Arzt bin, der ihrem Jungen vielleicht helfen könnte, muß einen kleinen Palastkrieg ausgelöst haben. Anscheinend steht auch das Militär auf ihrer Seite. Jetzt spielt Dombono die Rolle des großen Helfers.« Stricker sah Alex Huber nachdenklich an. »Sie werden nicht nur gegen ein Osteom, sondern auch gegen Ihre Kollegen von Urapa kämpfen müssen.«
»Das ist mir klar.«
Veronika hatte sich beruhigt. Sie löste sich aus Hubers Armen und wischte sich die Tränen vom Gesicht. »Warum sagt man es Sikinika nicht?« fragte sie. Ihre Stimme schwankte noch.
»Sie weiß es doch.« Huber ging zur Tür seines Zimmers. Sie war nur angelehnt, aber draußen auf dem Gang standen vier schwarzlederne Soldaten. »Probieren wir es«, sagte er fest.
»Was?« Paul Stricker sprang vom Stuhl auf.
»Ich gehe jetzt hier hinaus! Mal sehen, was dann passiert.«
»Bleib! Bitte bleib!« rief Veronika. »Warum das Schicksal herausfordern, Alex?«
»Ich meine auch, Sie sollten nicht provozieren, Huber.« Stricker schielte zu den stummen Soldaten hinüber. Heimbach begann wieder zu schwitzen. Löhres setzte sich auf den Stuhl, den Stricker soeben freigegeben hatte. Sein Kölsches Mundwerk schien er oben im Käfig eingebüßt zu haben. Bret Philipps dagegen zeigte Gelassenheit.
»Soll ich gehen?« fragte er.
»Sie haben gar keine Chance, Bret.«
»Sagen Sie das nicht. Ich konnte im Krankenhaus herumspazieren, als ich wieder leidlich fit war. Eine süße Krankenschwester begleitete mich. Als normaler Patient hätte ich mich an sie bestimmt rangemacht.«
»Versuchen wir's!« Huber stieß die dicke Bohlentür weit auf. Die Soldaten rührten sich nicht. »Ich gehe allein. Alle zusammen – das könnte man als Fluchtversuch auslegen, obgleich es nichts Blöderes gibt. Aber darauf wartet Dombono ja nur. Ich sehe mir jetzt meine Klinik an.«
»Sie sind mir sympathisch.« Paul Stricker klopfte Huber auf die Schulter. »Sie haben die gleiche kalte Schnauze wie ich. Aber darunter ist es verdammt weich.«
»Sie sagen es.« Alex lächelte. »Wenn ich meinen Beinen gehorchen würde, läge ich jetzt flach!«
Er machte den ersten Schritt aus dem Zimmer. Veronika hielt den Atem an und biß sich entsetzt in die zum Mund gezogenen Fäuste. Löhres und Heimbach starrten stumm in den Gang. Bret Philipps kaute an den Nägeln.
Langsam, als gehe er spazieren, ging Alex Huber weiter. Er passierte die vier Soldaten, die über ihn hinwegblickten, als existiere er gar nicht. Aber als er an ihnen vorbei war, schwenkten sie herum und folgten ihm. Ihre Stiefel klatschten auf den Steinboden.
Huber drehte sich nicht um, nur sein Nacken versteifte sich ein wenig. Von hinten töten sie mich nicht, dachte er. Das ist der Vorteil soldatischer Ehrbegriffe: Man kämpft Aug in Aug. Ich habe nie viel vom Militär gehalten, aber jetzt tue ich ein klein wenig Abbitte.
Er ging weiter, der Flur machte einen Knick, er kam in einen breiteren Gang und befand sich im Bettentrakt des Krankenhauses. Einige Schwestern liefen mit Tabletts herum, in einem Zimmer der Station saß ein Priester und las in Krankenblättern.
Der Stationsarzt.
Wie bei uns, dachte Dr. Huber fast belustigt. Verrückt so etwas! In der Mitte der Station muß die Teeküche liegen, daneben das Schwesternzimmer. Wenn das wirklich so ist, schreie ich laut
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