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Wen die schwarze Göttin ruft

Wen die schwarze Göttin ruft

Titel: Wen die schwarze Göttin ruft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Scheiße! Das muß man mir einfach zugestehen!
    Es war so. In der Mitte des breiten Ganges eine Art Küche, daneben ein Raum mit Stühlen und einem Bett. Für die Nachtschwester.
    Er blieb stehen. Dombono kam ihm entgegen – urplötzlich war er vor ihm aufgetaucht – anscheinend alarmiert vom Stationsarzt. Seine beiden Oberärzte begleiteten ihn. Wie bei uns, dachte Huber wieder.
    Der Chef naht.
    »Scheiße!« sagte er laut, als Dombono vor ihm stand.
    »Wieso?« Dombonos Gesicht verfinsterte sich. »Was mißfällt Ihnen so?«
    »Nichts! Ich löse nur ein Versprechen ein. Ich komme mir vor wie in unserem Kasten in München. Natürlich ist alles anders, vom Technischen her gesehen, aber die Grundidee ist identisch. Dombono, seien Sie ehrlich: Sie haben sich moderne medizinische Bücher beschafft. Urapa bleibt wie vor Zeiten – ich weiß – das Testament der Könige! Aber dort, wo es am wenigsten auffällt, haben Sie alles umorganisiert nach weltlichem Muster. Und wenn es nicht gegen alle Königstestamente wäre – Sie würden zu gerne Ihr Krankenhaus dem neuesten Stand angleichen. Röntgen, moderne Sterilisation, Labor, unsere Medikamente, EKG. Bestrahlungskammern, einen OP mit vollständiger Anästhesieabteilung, eine funktionstüchtige Bettenstation – warum eigentlich nicht? Englisch sprechen Sie ja schon.«
    »Kommen Sie mit!« sagte Dombono verschlossen. »Ich will Ihnen etwas zeigen.«
    Er ging voraus, öffnete eine Tür und winkte. Sie betraten ein Doppelzimmer. In einem der Betten saß eine junge Frau und löffelte einen Brei.
    »Das ist die Frau, der wir die Galle gespalten haben«, sagte Dombono. »Gestern.«
    »Und sie ißt schon wieder?« Huber setzte sich auf die Bettkante. Die junge Frau sah gesund und zufrieden aus, nicht wie eine Schweroperierte, deren Leib man geöffnet hatte. Kein Fieber, keine Schmerzen, keine Schwäche. Sie saß da, als befände sie sich zur Erholung in einem Sanatorium.
    »Wie machen Sie das?« fragte Huber leise. Dombono hob die breiten Schultern.
    »Und da sagen Sie, wir brauchten Ihre Medizin! Wie sehen Ihre Gallenoperierten am nächsten Tag aus?«
    »Sie haben mich überzeugt.« Huber erhob sich. Die junge Frau aß mit sichtlichem Appetit weiter. Die Patientin im anderen Bett lag auf dem Rücken und stickte an einer Decke. Es waren merkwürdige, anscheinend mythologische Muster.
    »Und diese Frau?« fragte Huber. Er wunderte sich über nichts mehr.
    »Ein Steinschnitt! Blasenstein! Vorgestern!« antwortete Dombono stolz. »Wie sehen bei Ihnen …«
    »Hören Sie auf, Dombono!« Huber winkte entgeistert ab. »Wann operieren wir den Sohn der Sonne?«
    »Wann immer Sie es anordnen! Wir sind immer bereit.«
    »Kann ich vorher die Königin noch einmal sprechen?«
    »Ich werde nachfragen.« Dombonos auffallende Kollegialität verschwand wieder. Er war nur noch der feindliche Priester. Also doch, dachte Alex Huber. Stricker hat recht: Dombono will an die Macht. Nur das Militär und Sikinikas rätselhafte, aber unheimliche weibliche Ausstrahlung hindern ihn daran. Wenn der Junge stirbt, ist das alles vorbei. Dann ist die Göttin nur noch eine zerbrochene alte Frau, eine einsame Mutter.
    Wieder stand Huber in dem hallenähnlichen, domhohen goldenen Raum, und wieder begriff er nicht, wie sich eine massive Wand in Transparenz auflösen und einen Menschen plötzlich ins Zimmer zaubern konnte.
    Sikinika stand hinter ihm, lautlos durch die Wand gekommen, umflossen von jenem Licht, dessen Quelle man nicht sah. Es war einfach da, wie ein Strahlenkranz um diese schöne Frau. Huber verneigte sich höflich.
    »Habe ich mein Versprechen gehalten?« fragte Sikinika in ihrem harten Französisch. »Sie haben Ihre Braut wieder. Nun halten Sie Ihr Versprechen, und heilen Sie meinen Sohn.«
    »Deshalb wollte ich noch einmal mit Ihnen reden.« Er suchte nach Formulierungen, um mögliche Komplikationen zu erklären. Es war immer das gleiche, auch in München: Man muß den Leuten sagen, daß ein Arzt kein Gott ist, der alles kann. Die wenigsten wollen es begreifen. Ein Arzt ist immer die letzte Station vor Gott. Er wird mit Glauben überschüttet, dabei ist er doch auch nur ein Mensch mit allen seinen Fehlern und Grenzen.
    Er entschloß sich, keinerlei Umschweife zu machen. »Wenn es kein Osteom ist, sondern ein bösartiger Tumor, muß ich das Bein abnehmen«, sagte er. »Aber auch das ist nur ein Aufschub. Wenn das Karzinom metastasiert hat – und das hat es bestimmt! –, wird es an anderen

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