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Wen die schwarze Göttin ruft

Wen die schwarze Göttin ruft

Titel: Wen die schwarze Göttin ruft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Sohn liebt?«
    »Ich werde es ihm sagen!« Es war ein Schrei, der ihn fast in die Knie warf, so plötzlich brach er über ihn herein. »Ich will Sie nicht mehr sehen! Nie mehr! Nie mehr! Nie mehr!«
    Die Wand öffnete sich vor ihm. Er verließ den Saal und prallte draußen fast gegen Dombono. In der Miene des Oberpriesters spiegelte sich Triumph. »Sie haben ein Zimmer im Krankenhaus«, sagte er fast freundlich.
    Für Dombono war Huber schon tot, und das machte ihn plötzlich menschlicher. »Sie können sich frei bewegen und sich alles ansehen.«
    »Danke. Ich verzichte darauf.« Jetzt spiele ich Vabanque, dachte er. Es kann schiefgehen, aber ich kann auch alles gewinnen. Ich setze auf die Mutterliebe, die stärkste Kraft im Menschen. Ist Sikinikas erotische Liebe stärker, habe ich verloren.
    »Holen Sie einen neuen Käfig, Dombono. Ich möchte bei den anderen an der Mauer hängen!«
    Man war seiner Bitte nicht entgegengekommen. Er wurde durch lange Gänge geführt, kam in ein anderes Gebäude, das er sofort als Krankenhaus erkannte; hier wurde er in ein Zimmer mit steinernen Wänden und ohne Fenster gestoßen. Von oben, durch einen Lichtschacht, fiel Helligkeit herein.
    Das Zimmer war karg möbliert: ein Bett, zwei Stühle, ein Tisch, ein paar Eisenhaken an der Wand. Eher eine Zelle als ein Wohnraum. Er setzte sich aufs Bett und dachte an Veronika.
    Was geschah? War dieses Zimmer nur Zwischenstation? Holte man ihn nachher ab, um ihn an der Tempelmauer emporzuziehen?
    Er hatte die unausgesprochene, doch unverhohlene Liebe einer Göttin abgewiesen. Konnte man das überleben?
    Geräusche vor der dicken Bohlentür ließen ihn aufhorchen. Instinktiv wich er zur anderen Wand zurück, auch wenn es sinnlos war, sich zu wehren. Sie kamen, um ihn zu holen. Wie schnell das ging! Sie mußten Käfige auf Vorrat haben. Was hatte er anderes erwartet?
    Mitleid mit dem kleinen Sikinophis überdeckte plötzlich alle anderen Gefühle und Gedanken in ihm. Er konnte den Verlauf der Krankheit voraussehen, er wußte genau, daß eines Tages die Schmerzen diesen Jungen zum Wahnsinn treiben würden. Und keiner konnte ihm hier helfen, bis irgendeine andere Krankheit ihn endlich erlöste. An dem Osteom konnte er nicht sterben, es sei denn, ein gütiger Gott verwandelte es in Osteomyelitis, die – unbehandelt – eine Sepsis auslösen konnte.
    So stirbt ein Kind mit dem Kopf eines Engels, weil seine Mutter einen Mann aus Liebe haßt.
    Die Tür sprang auf und krachte gegen die Steinwand. Soldaten in schwarzen Lederschuppen-Uniformen stellten sich links und rechts der Tür auf, wie zu einer Parade.
    Sie machen es feierlich, dachte er bitter. Wie eine Exekution, nur der Trommelwirbel fehlt. Vielleicht haben sie ihn draußen an der Mauer …
    Und er begriff nicht, was er dann sah. Es überrollte ihn wie eine riesige Woge, die ihm Worte, Atem, Herzschlag und Verstand zerschlug. Ein Wesen stürzte in das Zimmer … mit ausgebreiteten Armen, die sich um ihn schlangen – Lippen, die sich über sein Gesicht tasteten, ein Gesicht, das er kannte und doch nicht mehr mit dem Verstand wahrnahm … Eine Stimme, die er immer im Ohr hatte und die jetzt verzerrt und unwirklich klang … und immer wieder diese Lippen … Küsse … Tränen … sein Gesicht wurde naß von diesen Tränen … etwas hing an ihm und zerrte ihn nach vorn … und dann wieder die Stimme … diese Stimme … »Alex, Alex! Mein Liebling! Alex …« Und die Lippen … Küsse … Tränen … das Gesicht, wie durch einen Nebel …
    Er taumelte gegen die Wand und dachte: Jetzt sterbe ich! Mein Herz hat aufgehört zu schlagen. Ich habe keinen Atem mehr. Ich bin blind! Ich bin stumm.
    Aber er sagte laut: »Veronika! O Gott, mein Gott … Veronika!«
    Und dann starb auch dieses Wort, weil sich ihre Lippen sanft auf seinen Mund legten.

15
    Man ließ ihnen Zeit, dieses Wiedersehen auszukosten. Sie küßten und drückten sich an sich, sie stammelten Koseworte, die im keuchenden Atem zerflatterten, und es war so viel Hoffnung und Verzweiflung, so viel Liebe und Angst zwischen ihnen, daß niemand sich rührte und jeder zu Boden blickte oder sich abwandte. Endlich unterbrach Paul Stricker die über allen lastende Stille.
    »Was haben Sie erreicht, Herr Kollege«, fragte er. »Als man uns aus den Käfigen holte, dachten wir: Jetzt ist es zu Ende. Unser Freund Heimbach war kaum noch bei Sinnen.«
    »Entschuldigt.« Albert Heimbach, von dem Augenblick an, da er wieder auf der Erde stand, halbwegs

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