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Wen küss ich und wenn ja, wie viele? - Lilias Tagebuch

Wen küss ich und wenn ja, wie viele? - Lilias Tagebuch

Titel: Wen küss ich und wenn ja, wie viele? - Lilias Tagebuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mara Andeck
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Sommersprossen auf der niedlichsten Nase der Welt. Ich sehe Denker-Dackelfalten auf der Stirn von jemandem, der sich’s im Leben nie leicht macht. Und ich sehe schwarze Ränder unter deinen Fingernägeln.« Maiken lächelte und wandte sich an mich. »Und du?«
    »Ich sehe, dass du traurig bist. Was ist los?«
    »Macht mal die Augen zu«, sagte Maiken. Das war mal wiedertypisch. Mussten wir uns jetzt in den Yogasitz setzen? An den Händen fassen? Ein Mantra sprechen?
    Wir gehorchten widerwillig. Papier knisterte, dann las Maiken mit rauer Stimme ein paar Zeilen vor, die ungefähr so gingen:
    Herdentiere
    Einer fängt an – wir rennen nach links.
    Einer dreht um – wir rennen nach rechts.
    Mein Lachen ist grell,
    Wenn ich mit euch renne.
    Doch ich lache.
    Nachts im Traum
    Bin ich allein.
    Ich renne nicht. Ich tanze.
    Ich lache nicht. Ich schreie.
    Tränen sind auf meiner Haut.
    Das bin ich.
    Ich blieb sitzen und ließ die Augen zu, denn ich wusste einfach nicht, was ich sagen oder wie ich gucken sollte. Ich kam mir vor wie im Schulunterricht, wenn ein Lehrer will, dass die Klasse von selbst auf etwas kommt, und alle sagen was und raten und keiner trifft es. Solche Situationen hasse ich. Bäh! Wie sollten wir aus dieser Nummer wieder herauskommen? Was wollte Maiken? Und wie konnte man ihr nach diesem »Gedicht« in die Augen sehen?

    Aber in solchen Momenten ist Dana unschlagbar. »So fühleich mich auch oft«, sagte sie. Und plötzlich konnte ich die Augen aufmachen und Maiken ansehen. Alles war wieder ganz normal.
    »Ich auch«, sagte ich.
    Tom sagte gar nichts. War auch besser so.
    »Ich will das nicht mehr«, sagte Maiken. »Ich will nicht mehr nichts Besonderes mit Pferdeschwanz sein. Ich will ich sein. Maiken.«
    Es klingelte.
    »Ich freu mich drauf«, sagte Dana.
    Wir standen auf, klopften uns ab, reihten uns wieder in die Herde ein und liefen mit den anderen nach rechts. Ich war in diesem Moment ganz froh übers Mitlaufen im Gedränge. Mein Hintern fühlte sich nämlich ziemlich feucht an und das musste ja keiner sehen!
    Schon ein seltsames Pausen-Gespräch. Aber eines hat es bewiesen: Ich gehöre immer noch dazu. Wir sind Freunde.
    Liebe Nachgeborene! Wenn ihr jemals solche Freundinnen wie Dana und Maiken habt, dann ärgert sie nicht, bloß weil ihr mal mies drauf seid. Ja, klar, sie sind Menschen und wie alle Menschen nerven sie manchmal. Trotzdem – ich möchte mit ihnen mein Leben lang befreundet sein und eines Tages im Altenheim mit ihnen junge knackige Pfleger anbaggern, bis unsere Gebisse nur so klappern.

    Dana ist manchmal ein bisschen anstrengend, weil sie immer recht hat. Nicht dass sie rechthaberisch wäre, nein, es ist viel schlimmer, sie hat wirklich immer recht. Sie ist so klug, dass es fast schon wehtut, und sie ist auch noch schön: klein, zierlich,mit Augen wie eine von Papas russischen Madonnen. Ich weiß, das klingt nicht gerade so, als wäre man gern mit ihr befreundet, aber ganz so perfekt ist sie auch wieder nicht, und das macht sie erträglich. Erstens ist sie unglaublich unordentlich. Wenn ich mal nach einem Besuch bei ihr nicht nach Hause kommen sollte, dann habe ich mich vermutlich so in ihren Klamottenstapeln verheddert, dass ich nicht mehr herausfinde. Zweitens hat sie große Füße. Echt große! Schuhgröße 41 bei einer Körpergröße von 1,65 Meter! Und drittens ist sie einsam. Ihre Eltern wohnen irgendwo in Afrika, weil ihr Vater Botschafter ist, und Geschwister hat sie nicht. Dana lebt also ganz allein bei einer alten Tante und die ist die Sorte Mensch, die zum Lachen in den Keller geht, wenn sie es sich nicht sogar ganz abgewöhnt hat, gesehen hat sie dabei nämlich noch keiner. Im Haus der Tante ist es so still, dass man sich schon freut, wenn mal eine Treppenstufe knackt. Das führt dazu, dass Dana fast nie zu Hause ist und viel bei mir rumhängt. Ich habe das aber ganz gern. Obwohl ich ihr ja immer sage, dass die Tante so schlimm nicht sein kann, denn wer Danas Unordnung aushält, der muss irgendwo Humor haben, auch wenn er es nicht so zeigt.
    Dana ist sehr schweigsam, wenn es um Gefühle geht. Sie spricht nicht gern drüber, aber ich habe ja Augen im Kopf! Wenn sie wirklich auf den Flokati steht, dann kann sie auf mich zählen. Dass Flocke sie anders ansieht als früher, ist mir neulich schon mal aufgefallen.
    Maiken ist auch eigen! Gehst du mit ihr shoppen, erfährst du, dass deine neuen Klamotten aus China stammen und dass dafür Chinesen ausgebeutet und Flüsse mit

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