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Wen küss ich und wenn ja, wie viele? - Lilias Tagebuch

Wen küss ich und wenn ja, wie viele? - Lilias Tagebuch

Titel: Wen küss ich und wenn ja, wie viele? - Lilias Tagebuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mara Andeck
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geduscht und gekämmt und nach Prärie und Abenteuer riechend in meinem Zimmer und sagte, dass ich mit ihm im Auto fahren könne, er komme nämlich mit. Abi??? Keine Rede mehr davon. Ich erinnerte ihn natürlich nicht an dieses Thema.
    Mama allerdings schon. Sie erwischte uns, gerade als wir das Haus verlassen wollten.
    »Ich dachte, du musst lernen, Florian!« Ihre Stimme klang wie das Quietschen von Kreide auf einer Schultafel. Aus ihrem Pferdeschwanz hatten sich ein paar Haarsträhnen gelöst, die wie Stacheln um ihren Kopf standen. Und ihr Gesichtsausdruck! Habe ich schon erwähnt, dass das Kartoffelpuffergesicht in drei Variationen vorkommen kann? Ähnlich wie chemische Stoffe, die es ja in den Aggregatzuständen gasig, flüssig und fest gibt, können Mamas Augen glasig, bissig oder gestresst aussehen. Glasig ist harmlos. Sie ist dann geistesabwesend und will jede Störung auf ein Minimum begrenzen. Man gibt ihr einfach recht und hat danach seine Ruhe. Bissig ist schon schlechter, da wird sie ironisch. Aber ganz schlecht ist gestresst, das bedeutet Kampf. In diesem Moment sah Mama äußerst genervt und gestresst aus und ich konnte sie sogar verstehen. Da entlasten wir alle diesen Kerl seit Wochen, wo immer es geht, und er macht sich ein schönes Leben. Trotzdem. Ich musste auch an Dana denken.
    »Mama, bitte!«, sagte ich. »Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass das Gehirn blockiert, wenn man kurz vor Prüfungen noch lernt.«
    »Kein Problem«, sagte Mama und ging stufenlos über in ihren bissigen Zustand. »Florian muss nicht lernen. Er kann endlich wie versprochen die Garage entrümpeln.«
    »Maaaamaaaa, bööööttäää!«, nörgelte ich. »Wir haben Jungsmangel beim Tanzen! Weißt du überhaupt, wie gefährlich das ist? Es gibt Tierarten, da wechseln Weibchen das Geschlecht, sobald Männchenmangel herrscht. Echt! Ich brauche den Flokati, sonst wächst mir noch ein Bart oder ich rieche plötzlich nach Iltis. Das kannst du doch nicht wollen.«
    Ha! Ich hatte es genau gesehen! Ihre Mundwinkel zuckten, Mama musste lachen, ich hatte gewonnen. Diesen Tag sollte ich mir im Kalender rot anstreichen.
    Ich packte Flocke am Jackenärmel, zog ihn mit mir und schlug schnell die Haustür hinter uns zu.

    Und dann hat er mich verblüfft! Kaum im Tanzstudio angekommen, da sauste mein Brüderlein doch tatsächlich noch vor dem ersten Musiktakt auf Dana zu und forderte sie zum Walzer auf. Ich habe ihn noch nie so zielstrebig erlebt! Und wie graziös er seine Quadratlatschen plötzlich bewegen konnte! Wo war denn sein Yeti-Schlurfgang hin? Ich hatte ja geblufft, als ich behauptete, er sei ein guter Tänzer, aber jetzt stimmte es. Er glitt förmlich übers Parkett. Wie konnte Danas bloße Anwesenheit diesen Sesamstraßen-Samson in ein menschliches Wesen verwandeln? Das war ja wie bei »Die Schöne und das Biest«!
    Ich war so fasziniert von den beiden, dass ich gar nicht merkte, dass da jemand vor mir stand und mich auffordernd ansah: Benny! Ups!
    Normalerweise tanze ich mit Tom, das ist Tradition. Das hatsich so ergeben, weil Tom sich nie traut, Mädchen aufzufordern, auf die er steht. Und ich bin immer ganz froh darüber, in ihm einen Tanzpartner zu haben, den ich ungeniert anmuffeln kann, wenn er mir auf die Zehen tritt. Außerdem weiß Tom, dass mein Knöchel noch immer von dem blöden Volleyballunfall vor ein paar Wochen schmerzt, und er führt so gut, dass ich nicht gleich wieder umknicke.
    Tom aber tanzte schon – mit Maiken.
    Erst war ich sauer, aber dann checkte ich doch, wie sensibel das von ihm war. Maiken trug immer noch ihr Freak-Outfit und hätte den Abend sonst bestimmt als Mauerblümchen verbracht. Aus dem Augenwinkel registrierte ich schnell, dass Jakob längst neben Vicky stand. Der war also vergeben und so lächelte ich Benny an und reichte ihm meine Hand. Eigentlich eine gute Wahl. Schließlich war er nachher mein Übungsobjekt, warum nicht beim Tanzen schon mit den Vorbereitungen beginnen? Und als wir zusammen loswalzten, stellte ich fest, dass Benny auch kein schlechter Tänzer ist. Der Wiener Walzer mit ihm hatte fast ein bisschen Sissi-und-Franz-Joseph-Feeling.
    Als wir uns im Dreivierteltakt drehten und das Licht im Tanzsaal um mich herum glitzerte und funkelte, äugte ich unauffällig nach oben. Ich sah ein eckiges Kinn mit Grübchen. Lippen, die ziemlich trocken aussahen, nicht nach einer Überschwemmung von Testosteron. Winzige Bartstoppelpünktchen auf der Oberlippe und den Wangen. Und auch an

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