Wen liebst du, wenn ich tot bin?
eingestanden hatte, nämlich dass ich mich fast ein bisschen freute, dass sie weggegangen war, und auch, dass Sam nicht mit ihr sprechen wollte, denn auf diese Weise kam endlich einmal ich zum Zug.
Seit Stunden war der Mond über den Himmel gewandert, jetzt stand er ganz oben und ich fröstelte. Trick rubbelte über die Gänsehaut an meinem Arm. Im Mondlicht konnte ich sein geschwollenes Auge gerade noch erkennen.
»Harter Kerl, was?«, sagte er, als er mich dabei ertappte, wie ich seine Verletzungen betrachtete. Er tippte leicht dagegen.
»Vielleicht, wenn deine Fingerknöchel so aussähen.«
Er lachte kurz auf.
»Tut es weh?«
»Nö«, sagte er, aber als ich sein Auge berühren wollte, zuckte er zurück.
»Tut mir leid.«
Ich versuchte es noch einmal.
Wir sahen beide zu, wie meine Hand seinem Gesicht immer näher kam. Er schloss die Augen. Ich hörte, wie er atmete und wie ich atmete, und plötzlich konnte ich mein Herz hören, wie es schlug.
»Tut das weh?«, fragte ich und berührte seine Haut so vorsichtig wie möglich.
Er schüttelte den Kopf und schluckte. Ich dachte daran, wie er gesagt hatte, ich sei hübsch, und wie ich Matty gegenüber angedeutet hatte, ich hätte einen Freund, und dann dachte ich an die Kuss-Szenen in meinen Büchern, die alle so anfingen wie jetzt. Ich stellte mir vor, wie ich mein Gesieht an seines drückte und wie ich meinen Mund gegen seinen presste, und mein Magen machte einen solchen Satz, dass ich meine Hand mit einem Ruck wegriss.
Trick bemerkte es nicht, jedenfalls tat er so, und wir setzten uns im Schneidersitz hin, so wie immer, aber viel, viel näher beieinander.
Als die Dunkelheit zunahm, wurde Tricks Gesicht unschärfer und ich sah weniger deutlich, aber um mich herum summte und knisterte und bebte es von Leben. Ich nahm alles ganz deutlich wahr: die kühle Luft und wie sich meine Härchen an den Armen aufstellten und wie weit meine Knie von seinen entfernt waren.
Wir saßen schweigend da, während der Himmel immer schwärzer wurde und die Nacht uns umfing. Die Stellen, wo unsere Körper sich berührten, fühlten sich warm an.
Dreizehn
A ls ich Matty das nächste Mal traf, stand ich gerade im Schnellimbiss. Es war Freitagabend und Dad lehnte an der Theke und wartete auf drei Portionen Fisch und Fritten. Ich war damit beschäftigt, auf das beschlagene Glas einen Eisvogel zu tupfen, als ich sah, wie sich draußen etwas regte.
Es war Matty. Sie saß auf dem Beifahrersitz im Auto ihrer Mutter und winkte und lächelte, so falsch sie konnte. Sie parkten direkt vor unserem Pick-up. Donna beugte sich zwischen die Sitze, um ihre Handtasche von hinten hervorzuholen. Früher wäre ich hingerannt und hätte sie ihr gegeben.
Ich winkte nicht zurück, sondern malte weiter. Ich konzentrierte mich darauf, eine Sprechblase aus lauter Punkten zu zeichnen, die aus dem Schnabel des Eisvogels kam. Donna schlug die Autotür zu und ging in den Laden. Inzwischen war ich an der obersten Spitze der Sprechblase angelangt. Matty tat so, als ob sie es nicht im Geringsten interessierte, was ich hineinschreiben würde. Aber ich wusste es besser.
Wir hatten es oft gemeinsam gemacht. Während Donna auf die Fritten wartete, klopfte Matty gegen die Fensterscheibe, um die Aufmerksamkeit von jemandem auf sich zu lenken, und flüsterte mir dabei Anweisungen zu. Ich malte dann ein Herz oder einen Kuss oder schrieb Pissnelke rückwärts, wenn es jemand war, den wir nicht leiden konnten. Jemand, den sie nicht leiden konnte.
Es bimmelte, als Donna hereinkam, und die Leute rückten zusammen, damit sie in den überfüllten Laden eintreten konnte. Ich sah, wie Matty scheinbar interessiert die Häuser auf der anderen Straßenseite betrachtete. Ich ließ mir Zeit mit der Sprechblase.
»Tommo!«, rief Donna. »Tss, tss, ist das nicht dein Lieferwagen? Fährst du etwa heute Abend, Iris?«
Dad, der gerade die panierten Teilchen hinter der Theke in Augenschein nahm, richtete sich auf und grinste. Es passte mir nicht, die beiden zusammen zu sehen. Die Augen der beiden funkelten und Donna hörte überhaupt nicht mehr auf zu lächeln.
»Das Gleiche wie immer, Poll, wenn du fertig bist«, rief sie über den Ladentisch.
Poll nickte ihr über die Schulter zu und schaufelte Fritten von einem Behälter in den anderen. Am Haaransatz hatte sie überall Pickel, obwohl sie schon alt war.
»Schon zum zweiten Mal Fritten in dieser Woche«, raunte Donna meinem Vater unüberhörbar zu und schlug dann theatralisch
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