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Wen liebst du, wenn ich tot bin?

Wen liebst du, wenn ich tot bin?

Titel: Wen liebst du, wenn ich tot bin? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arena
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nichts aus. Wenn er von der Musik genug hatte, legte ich etwas anderes auf, und als wir Hunger hatten, machte ich Tee und überbackene Käsesandwiches. Immer wieder verschränkte und dehnte er seine Finger, wenn sie müde wurden. Erst als er mit der Skizze zufrieden war, tauschte er den Bleistift gegen einen anderen Stift. Die Zeichnung wurde immer größer und detailreicher. Langsam wurden Hügel und Bäume unter einem Sturmhimmel erkennbar.
    Wenn Sam sich konzentrierte, presste er die Lippen aufeinander, was sein Kinngrübchen hervorhob. Jetzt arbeitete er an den Dingen im Vordergrund. Mein Buch lag aufgeschlagen vor ihm, und gelegentlich warf er einen Blick auf das Foto des Bussards. In seine Krallen malte Sam noch ein totes junges Kaninchen, das allerdings auf dem Foto fehlte. Der Bussard trug das Kaninchen durch die Lüfte.
    »Ich find’s toll«, sagte ich.
    Sam hielt inne und trat ein paar Schritte zurück. Er klemmte den Stift zwischen die Lippen. Als er lächelte, schlug die Plastikhülle an seine Zähne.
    Irgendwann legte ich meine Sorge, ihn zu nerven, ab und begann zu reden. Ich erzählte Sam alles über Matty, und dass sie sich für superunglaublich hielt, nur weil sie einen Bügel-BH trug, und er erzählte mir, dass Leanne wirklich nett war, wenn man sie erst einmal näher kannte. Ich versuchte, ihm das glauben. Von Mum sagte ich nichts. Ich wollte nicht alles verderben.
    Als Dad und Austin von der Arbeit kamen, schleppte ich sie sofort die Treppe hinauf in mein Zimmer.
    »Wow«, sagte Austin und wischte sich Sägemehl aus den Augenbrauen.
    Wahrscheinlich war das mehr, als er heute den ganzen Tag über gesagt hatte.
    Dad pfiff durch die Zähne. Auch er war von Kopf bis Fuß voller Sägemehl. Beide rochen nach Benzin, Schweiß und Laub.
    Sam ließ sich nicht stören. Er war gerade dabei, das Kaninchen fertig zu zeichnen. Dessen Augen waren ausgehackt und aus seiner offenen Schnauze tropfte Blut. Im Hintergrund erstreckte sich ein atemberaubendes Panorama der Dark Peaks. Auf einem hohen Hügel stand ein Mädchen und blickte in die Ferne. Ihre braunen Locken flatterten im Wind.
    »Diese Wand werde ich nie neu streichen«, versprach ich, als Sam die Stifte weglegte.
    »Das will ich hoffen«, sagte er und sah so glücklich aus, dass ich ihn am liebsten umarmt hätte.
    Dad und Austin waren wieder rausgegangen, um den Pick-up abzuladen, und plötzlich hörte ich mich etwas sagen, was ich eigentlich gar nicht sagen wollte.
    »Wenn du möchtest, spreche ich nicht mehr mit ihr.« Meine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern, aber Sam drehte sich überrascht um und sah mich an, und eine entsetzliche Sekunde lang fürchtete ich, dass ich jetzt alles kaputt gemacht hatte. Aber dann schüttelte er den Kopf.
    »Sei nicht albern, Pilli«, sagte er so schroff, wie ich es sonst nur von Dad kannte, und dann zog er den Reißverschluss seines Mäppchens zu.

Zwölf
    A ls der Mittwoch gekommen war, an dem Trick sich wenn irgend möglich von zu Hause wegschleichen wollte, war ich total durcheinander.
    Ich ging schon sehr früh zum Maisfeld, denn ich konnte es nicht erwarten, ihn endlich zu sehen. Ich musste wissen, ob ich ihm zu Recht vertraut hatte.
    Die Sommersonnenwende war längst vorbei, und die Tage wurden allmählich kürzer, aber um acht Uhr war es immer noch hell. Ich hatte mich noch nie mit Trick am Abend getroffen. Die Wolken hoch über Ashbourne färbten sich rötlich wie Schweineschnitzel, und mir fiel auf, dass ich Hunger hatte. Vielleicht konnten wir später Mais rösten. Wenn alles gut ging.
    Ich stieg über die Trittsteine, kletterte unter dem Stacheldrahtzaun hindurch und ging an der alten Eiche vorbei. Schmetterlinge schienen von innen gegen meine Rippen zu flattern, als ich den grünen Korridor entlanglief. Vielleicht war Trick genauso früh dran wie ich. Vielleicht war er schon da und hatte sich hingelegt, so wie damals, als wir uns zum ersten Mal begegneten.
    Aber das Versteck im Maisfeld war leer.
    Die Kissen, die ich mitgebracht hatte, damit wir es uns bequem machen konnten, waren noch da. Inzwischen hatten sich ein paar Schnecken darauf niedergelassen. Ihre Häuser klapperten auf dem Boden, als ich sie abschüttelte. Auf den dunklen, platt gedrückten Flächen unter den Kissen wimmelte es von Asseln. Ich setzte mich und wartete. Die Sonne sank tiefer.
    Ich kletterte auf die Eiche, bestimmte die Namen der Insekten und hielt nach Haselmäusen Ausschau. Ich versuchte, mich daran zu erinnern, wie man

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