Wen liebst du, wenn ich tot bin?
das Lenkrad, seine Knie hoben und senkten sich, als er zwischen Gaspedal, Kupplung und Bremse wechselte. Ich fühlte mich elend.
Plötzlich zogen Wolken auf. Draußen wurde es düster und Dad schaltete die Lichter ein. Er schaltete sie immer frühzeitig ein, ganz anders als Mum, die sich erst daran erinnerte, wenn sie einem anderen Auto mit eingeschalteten Scheinwerfern begegnete. Ich lehnte mich in meinem Sitz zurück und überlegte, was ich sagen würde. Dass Matty etwas falsch verstanden hatte? Dass Trick gar nicht mein Freund war, zumindest nicht auf die spezielle Art? Dass ich es nur erfunden hatte, um bei ihr Eindruck zu schinden? Was für einen Unterschied würde bei meinem Vater die Art der Freundschaft überhaupt machen?
Wir fuhren inzwischen auf der Straße nach Ashbourne und bei der nächsten Abzweigung mussten wir nach rechts abbiegen. Bald würde ich es hinter mich gebracht haben, sprach ich mir selbst Mut zu. Aber Dads Mund war zugekniffen, und ich wusste, diesmal war es anders als sonst. Das war etwas anderes als ein Brief von der Schule, weil man in Turnschuhen gekommen war oder das Hausaufgabenheft zum dritten Mal verloren hatte.
Auf unserer Zufahrt stellte er den Blinker und den Motor ab und ließ den Pick-up langsam ausrollen. Wir rumpelten über die Schlaglöcher und ich musste daran denken, wie vorsichtig Dad immer gefahren war, als ich klein war und auf seinen Knien saß und das Lenkrad festhielt.
Vor dem Haus bremste er mit Hand- und Fußbremse gleichzeitig. Ich sah ihn erschrocken an, denn der Sicherheitsgurt hatte in meinen Hals geschnitten, aber er achtete nicht auf mich. Ich nahm die Wärme wahr, die von der Imbiss-Tüte auf meinen Schoß und auf meinen Bauch ausstrahlte, und ich beobachtete ihn, wie er aus dem Fenster starrte. Er umklammerte das Lenkrad, als könnte es jeden Augenblick davonfliegen. Der Motor klickte und klopfte, während er sich abkühlte. Draußen gurrte eine Taube.
»Also gut«, sagte er ganz ruhig. »Bringen wir’s hinter uns.«
»Was denn?«, fragte ich. Das war natürlich albern, denn ich wusste genau, was er meinte.
Er drehte sich zu mir und sah mich an, doch jetzt war ich diejenige, die aus dem Fenster starrte. Eine grüne Florfliege klebte zerschmettert am oberen linken Rand. Mir fiel auf, dass die Scheibenwischer nicht an diese Stelle kamen. Einer der Flügel klebte am Glas und ich betrachtete das feine türkisfarbene Geäder.
Die Wagenleiter ragte über das Dach der Fahrerkabine, man konnte ihr vorderes Ende durch die Windschutzscheibe sehen. Ich stellte mir vor, dass ich dort oben saß und die warme Luft an meinen Wangen spürte und die kalten Metallsprossen unter mir.
»Nun?«
Mein Herzschlag füllte die ganze Fahrerkabine aus.
Ich machte den Mund auf und wieder zu.
Ich versuchte, mir etwas einfallen lassen, das die Sache nicht noch schlimmer machte, als sie ohnehin schon war.
»Schön«, sagte er und drückte die Tür mit der Schulter auf. »Behalte deine schmutzigen Geheimnisse für dich. Aber du wirst ihn nicht wiedersehen. Darauf kannst du Gift nehmen.«
Ich war so geschockt, dass ich keinen klaren Gedanken fassen konnte.
»Worauf wartest du noch? Steig aus. Ich muss den Pick-up abschließen. Wer weiß, wem man hier verdammt noch mal trauen kann.«
Er knallte seine Tür zu und ich sprang aus dem Fahrzeug und schlug meine zu. Dad nahm seinen dicken Schlüsselbund und sperrte das Auto ab, dann vergrub er die Hände in den Hosentaschen und stapfte den Weg entlang.
Die Fritten rochen nach Essig, und die toten Fische, die in dem Papier eingewickelt waren, wurden matschig und grau. Ich hatte keinen Hunger mehr. Ich konzentrierte mich auf die zersprungenen Pflastersteine unter meinen Füßen. Der Weg schien kein Ende nehmen zu wollen.
»Nicht dass du denkst, ich hätte mit ihm geschlafen oder so«, murmelte ich vor mich hin.
Er wirbelte herum.
»Was denn? Hab ich wirklich nicht«, sagte ich laut und deutlich, denn er sollte merken, dass er überreagiert hatte und gar nichts Schlimmes passiert war.
Mit verzerrtem Gesicht kam er auf mich zu und ich wich vorsichtshalber ein paar Schritte zurück. »Wenn dieser Mistkerl es auch nur gewagt hat, dich anzurühren …«
»Hat er nicht.« Ich musste meinen ganzen Mut zusammennehmen, um die Worte hervorzubringen, und ich sprach auch nur ganz leise. »Außerdem ist er kein Mistkerl.«
Er schüttelte fassungslos den Kopf. Ich drückte die Schultern durch und versuchte, den Kopf hochzuhalten.
»Läuft
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