Wen liebst du wirklich?
zumindest eine andere Mutter. Aber hatte sie nicht alles getan, um ihn zu beschützen? Hatte sie nicht nach besten Kräften für ihn gesorgt und viel für ihn geopfert? Warum nur kam sie sich dann so unzulänglich vor?
Cassian bot Adam nun an, ihn zur Schule zu fahren, und Adam ging ohne Aufforderung nach oben, um sich die Zähne zu putzen und seine Schulsachen zu packen. Laura kam aus dem Staunen nicht mehr heraus.
Und da Cassian begonnen hatte, das Frühstücksgeschirr abzuwaschen, und sie sich dabei ertappte, wie sie ihn nur noch sehnsüchtig ansah, sprang sie auf und nahm sich ein Geschirrhandtuch.
"Hör zu", sagte sie schroff, "wir müssen reden."
"Können wir das nicht verschieben, bis Adam in der Schule ist?" schlug er vor.
"Nein!" fuhr Laura auf und verstummte, als Adam die Treppe herunterkam.
"He, mir ist da ein Gedanke gekommen …" Er sah Cassian hoffnungsvoll an. "Ich muss da so ein Projekt machen … weißt du zufällig etwas über das alte Ägypten?"
"Ich habe einige Jahre in Kairo und Assuan gelebt", antwortete Cassian und lächelte Laura arglos an, als diese ein ungläubiges "Pah!" verlauten ließ. "Was musst du denn wissen?"
Im nächsten Moment saßen die beiden am Tisch über Adams Projekt, und Cassian erzählte abenteuerliche Geschichten, die so interessant waren, dass sogar Laura die Ohren spitzte. Geschichten von Pharaonen, von Gier und Ehrgeiz, von Mord und großen Errungenschaften. Cassian war erstaunlich, eine wandelnde Enzyklopädie und dazu so charismatisch. Adam hatte er längst in seinen Bann gezogen. Kein Wunder. Wenn sie nicht von seinen wahren Absichten gewusst hätte, hätte sie auch staunend zu seinen Füßen gesessen und ihn angehimmelt!
Es tat ihr weh, in das verklärte Gesicht ihres Sohnes zu blicken und zu wissen, wie tief verletzt er sein würde, wenn er erfuhr, dass Cassian Thrushton Hall gekauft hatte und sie beide vor die Tür setzen wollte. Sie durfte nicht zulassen, dass Cassian ihrem Sohn noch lange etwas vorspielte. Wie sollte der Junge mit diesem Verrat klarkommen?
"Zeit für die Schule, Darling", sagte sie heiser. "Hast du alles?"
"Ach Mum …"
"Komm schon", meinte Cassian fröhlich. "Wir können heute Abend noch weiter an deinem Projekt arbeiten, nachdem wir gejoggt haben."
"Schon wieder?" fragte Adam zweifelnd. "Normalerweise sehe ich abends fern …"
Cassian zuckte die Schultern. "Was dir lieber ist."
"Oh … joggen natürlich!"
Laura hatte genug. Diese Heldenverehrung musste aufhören. "Nachdem du deine Hausaufgaben erledigt hast, natürlich", mischte sie sich ein.
"Das weiß ich selbst!" entgegnete Adam patzig.
Laura erschrak. Zum ersten Mal in seinem Leben schien er wirklich böse auf sie.
"Ich sollte mich wohl besser anziehen", meinte Cassian locker. "Bin in einer Minute wieder da."
"Entschuldige, Adam", sagte Laura, als Cassian die Treppe hinaufgelaufen war. "Ich hätte nicht an dir herumnörgeln sollen."
"Schon gut, Mum, normalerweise musst du mich ja auch erinnern." Sie lächelten einander an, ein wenig verwirrt, aber wieder Freunde. "Ist er nicht toll?" schwärmte Adam.
"Toll", bekräftigte sie und rang sich ein Lächeln ab. Doch die Zukunft schien ihr unsicherer denn je. Sie wusste nur eines: Sie liebte ihr Kind und wollte es vor allem Schaden beschützen. Aber war das genug?
Es dauerte lange, bis Cassian von der Schule zurückkam. Laura blickte immer wieder ungeduldig auf die Uhr und legte sich zurecht, was sie ihm sagen wollte.
Im Haus kam es ihr unerträglich still vor nach dem fröhlichen Geplänkel zwischen Adam und Cassian am frühen Morgen. Cassians CD-Player lag noch auf dem Tisch, und einige CDs befanden sich daneben. Laura nahm die Andenmusik heraus und legte dann etwas ein, das "Flammen des Feuers" hieß. Sofort erfüllten tiefe, sinnliche Klänge das Haus und beschworen höchst ungebeten erotische Bilder von Cassian herauf. Laura hielt es für klüger, die "Flammen des Feuers" gegen etwas Unverfänglicheres einzutauschen, kam aber nicht mehr dazu.
"Laura, wo bist du? Ich bin wieder zu Hause!" ertönte aus der Eingangshalle Cassians Stimme.
"O nein, das bist du nicht", flüsterte sie. Dies war ihr Zuhause, ihm gehörte es nur!
"Was hältst du von der Musik?" fragte er gut gelaunt und betrat die Küche.
"Ich wollte sie gerade ausschalten", antwortete sie schroff.
"Tu das, und dann mach dich zurecht. Ich nehme dich mit, damit du dich nach einem neuen Job umsehen kannst."
Sie presste die Lippen zusammen. "Ich möchte
Weitere Kostenlose Bücher