Wen liebst du wirklich?
Stolz. Tatsächlich sah sie so hinreißend aus, dass es ihm schwer fiel, sich aufs Fahren zu konzentrieren. Er wünschte ihr einerseits, dass sie sich in einem guten Job etablieren würde, hoffte aber andererseits, dass sie sich dadurch nicht verändern, sondern so warmherzig bleiben würde, wie es ihrem Wesen entsprach. Und wieder versetzte ihm die Vorstellung, dass sie Thrushton Hall bald verlassen würde, einen Stich. Er wollte nicht, dass sie ging!
"Ich bin völlig durcheinander", gestand sie ihm, als sie über den Marktplatz von Grassington fuhren. "Was meinst du, welchen Job soll ich annehmen?"
"Es ist deine Entscheidung."
Sein schroffer Ton veranlasste Laura, sich schweigend in ihrem Sitz zurückzulehnen.
Cassian wusste selber nicht, warum ihr Erfolg ihm so missfiel. Wovor hatte er Angst? Er wünschte ihr doch, dass sie selbstbewusster werden, ihren Horizont erweitern und einen besseren Lebensstandard erreichen würde. Und dennoch machte es ihn unglücklich, wenn er an den bevorstehenden Abschied von ihr dachte.
Unwillkürlich schweiften seine Gedanken zu Jai. Er und sein Sohn waren noch nie so lange voneinander getrennt gewesen. Das musste es sein! Ja, sicher fühlte er sich nur einsam. Mit Blick auf den Ort Thrushton fuhr er an den Straßenrand und bremste abrupt. "Ich muss Jai anrufen", erklärte er der verblüfften Laura und sprang aus dem Auto.
Laura beobachtete, wie er sein Handy aus der Tasche hervorkramte und eilig eine lange Nummer eingab. Er musste seinen Sohn sehr lieben. Gerührt bemerkte Laura, wie er strahlte, als Jai sich offensichtlich am anderen Ende der Leitung meldete. Cassian gab sich keine Mühe, seine Freude zu verbergen, und sprach eine ganze Weile angeregt und interessiert mit seinem Sohn. Laura wünschte sich, sie könnte so locker und entspannt mit Adam sein.
"Gute Neuigkeiten?" erkundigte sie sich, als er sich wieder ans Steuer setzte.
Seine dunklen Augen leuchteten. "Irgendwann im Lauf der Woche wird er eintreffen, je nachdem, wann er einen Flug erwischt. Ist das nicht fantastisch?"
"Wundervoll", bekräftigte Laura heiser, wobei sie sich wünschte, sie hätte seine Augen derart zum Strahlen bringen können. "Ich glaube, wir haben beide einen Grund zum Feiern."
Sein Lächeln verschwand. "Ja, das haben wir wohl", sagte er langsam, startete den Motor und gab Gas.
Laura beobachtete ihn verstohlen. Er wirkte plötzlich seltsam missgestimmt, fast zornig. Wenn sie es recht bedachte, hatte er sich irgendwie merkwürdig benommen, seit sie sich zur Rückfahrt wieder getroffen hatten und sie ihm erzählt hatte, wie erfolgreich und vielversprechend ihre Vorstellungsgespräche gelaufen waren. Er hatte sie nicht so überschwänglich gelobt, wie sie es eigentlich erwartet hatte, und sogar fast so gewirkt, als würde er es tatsächlich bedauern, dass sie schon bald mit beiden Beinen im Berufsleben stehen würde.
Hatte er vielleicht gehofft, sie würde versagen? Das sah ihm so gar nicht ähnlich. Cassian war zu großherzig … und zu entschieden in seinem Wunsch, sie möge aufhören, sich zu verstecken. Doch wenn sie ihn jetzt so aus den Augenwinkeln betrachtete, dann war seine innere Anspannung nicht zu übersehen. Vielleicht war sein Tag nicht so erfolgreich verlaufen wie ihrer?
"Was ist?" fragte sie vorsichtig.
Er zuckte sichtlich zusammen, hielt den Blick aber starr auf die Straße gerichtet. "Ich muss nachdenken."
Sein barscher Ton beinhaltete eine deutliche Zurückweisung. Laura wandte sich errötend ab und blickte zum Fenster hinaus. Sie hatte sich vor ihm schon genug zum Narren gemacht. Vielleicht lag aber auch gerade das Cassian im Magen … die Angst, sie könnte ihn vor seinem Sohn in Verlegenheit bringen. Laura verwünschte insgeheim zum hundertsten Mal, wie übertrieben sie auf seinen Kuss reagiert hatte. Wahrscheinlich hatte sie ihn damit völlig vor den Kopf gestoßen. Oder war die Initiative nicht sogar von ihr ausgegangen? Hatte sie ihn, ohne es zu wollen, ermutigt?
Das Blut schoss ihr heiß in die Wangen, als sie sich erinnerte, wie sie sich vom Ansturm ihrer Gefühle hatte mitreißen lassen. Ihr Mangel an Beherrschung erschreckte sie. Sie musste sich einfach besser im Griff haben! Aber warum war Cassian so bereitwillig darauf eingegangen? Ihr fiel plötzlich ein, dass sie über Jai gesprochen hatten. Du liebe Güte, er vermisste seinen Sohn … und hatte sie nur geküsst, weil er sich einsam fühlte!
Wie konnte sie nur so dumm sein, sich einzubilden, er würde
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