Wen liebst du wirklich?
sich für sie interessieren! Ein Mann wie Cassian stand nicht auf ein graues Heimchen am Herd, wie sie es war, sondern flog eher auf den Künstlertyp wie seine Mutter Bathsheba: dramatisch, leidenschaftlich, heißblütig und unberechenbar.
Laura berührte unwillkürlich ihren Mund und glaubte immer noch, seine Lippen heiß auf ihren zu spüren. Wie es aussah, war sie diesem Mann hoffnungslos verfallen. Seit seiner Ankunft war die erotische Spannung zwischen ihnen unaufhörlich zu spüren gewesen. Du liebe Güte, dachte sie, du vergötterst ihn schon genauso wie Adam!
Aber er war auch ein ganz besonderer Mensch. Rücksichtsvoll, höflich und mitfühlend. Schon als Kind hatte sie das gewusst. Des Öfteren hatte sie ihn dabei überrascht, wie er heimlich ein verletztes Tier gesund gepflegt hatte. Alles, was da kreuchte und fleuchte, ob Hunde, Katzen, Vögel oder Pferde, schien ihm blindlings zu vertrauen, und er wiederum hatte im Umgang mit den Tieren seine sonst so rebellische Art gänzlich abgelegt und eine unerwartete Sanftheit offenbart. Mehr als einmal hatte Laura sich dann gewünscht, er hätte sich genauso liebevoll um sie gekümmert.
Sie senkte den Kopf. Was musste er von ihr denken? Dass sie billig und leicht zu haben sei? Ihr schauderte. Hätte sie ihn nur nicht so hemmungslos geküsst! Denn mehr als alles auf der Welt wünschte sie sich, er würde sie mögen und achten. Sie wusste selbst nicht, warum.
Sie konnte nicht aufhören, ihn immer wieder von der Seite verstohlen zu betrachten. Ganz so, wie man den Blick von seinem Geliebten nicht lassen kann … Ihr stockte der Atem. Liebe? War das die Erklärung für das, was sie empfand? Für das elektrisierende Gefühl, das sie in seiner Nähe beseelte? Für ihren innigen Wunsch, sich in seine Arme zu schmiegen und ihn nie wieder loszulassen?
Das Ausmaß ihrer Leidenschaft erschreckte sie. Mit zittrigen Händen zog sie sich die Jacke aus, was durch den Sicherheitsgurt erschwert wurde. Und sie zuckte spürbar zusammen, als Cassian automatisch einen Arm ausstreckte, um ihr zu helfen, und dabei ihren nackten Arm berührte.
"Ich schaffe das schon allein!" wehrte sie heiser ab.
"Das bezweifle ich nicht", antwortete er rau. "Aber es wäre ein Zeichen von schlechten Manieren gewesen, wenn ich dir nicht geholfen hätte."
Sie bereute, ihn so ungerecht angefahren zu haben. "Es tut mir Leid."
"Schon gut. Du hast genug damit zu tun, über deine lukrativen Jobangebote nachzudenken", entgegnete Cassian großmütig. "Ich lasse dich jetzt in Frieden."
Wenn sie nur Frieden finden könnte! Er drückte ihr aufmunternd die Hand, und sie hätte seine am liebsten ergriffen und ganz fest gehalten. Entsetzt wurde ihr klar, dass sie sich bis über beide Ohren in einen Mann verliebt hatte, den sie kaum kannte. Einfach lächerlich.
Andererseits hatte sie das Gefühl, ihn schon eine Ewigkeit zu kennen. Vielleicht hatte sie ja früher schon ähnlich für ihn empfunden … Als Bathsheba und er Thrushton verlassen hatten, war sie todunglücklich gewesen. Weil sie schon damals mit fünfzehn geglaubt hatte, Cassian zu lieben? Und hatte sie vielleicht, ohne sich dessen bewusst zu sein, all die Jahre diese Gefühle für ihn in sich getragen … sich womöglich sogar nur deshalb dem charmanten Vertreter aus Leeds an den Hals geworfen, weil auch er dunkelhaarig und dunkeläugig gewesen war und sie an Cassians unabhängigen Geist erinnert hatte?
Diese Gedanken beunruhigten sie. Rastlos schlug sie die Beine übereinander und bemerkte aus den Augenwinkeln, wie Cassian den Blick bewundernd über ihre schlanken Oberschenkel gleiten ließ. Ihr Herz schlug schneller. Doch dann sagte sie sich, dass alle Männer nach ihren Beinen schauten. Sie wollte aber einen Mann, der sich wirklich für sie interessierte, und das war bei Cassian höchst unwahrscheinlich.
Unbändiger Zorn, aber auch wildes Verlangen bestürmten sie. Sie begehrte ihn so leidenschaftlich, wie sie es nie für möglich gehalten hätte. Aber die Vernunft sagte ihr, dass sie für ihn allenfalls eine flüchtige Affäre und nichts für eine dauerhafte Beziehung sein könne. Und in nur wenigen Tagen würden sie Abschied voneinander nehmen und sich womöglich nie wiedersehen. Ihr Herz krampfte sich zusammen, als er jetzt vor der Schule vorfuhr, um auf Adam zu warten. Es war zu spät. Cassian würde für immer unerreichbar für sie bleiben.
Unglücklich stieß sie die Beifahrertür auf und stieg aus. Die Zukunft breitete sich dunkel und
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