Wen liebst du wirklich?
schluckte, machte auf dem Absatz kehrt und eilte zum Wagen. Cassian half ihr nicht beim Einsteigen. Sie wollte sich bestimmt nicht anfassen lassen. Stattdessen stemmte er seine zittrigen Hände zu beiden Seiten von sich gegen die Mauer und atmete einige Male tief durch. Kein Zweifel, er hatte die Sache nur noch schlimmer gemacht. Lauras verborgene Leidenschaft war geweckt, aber er wäre fast davon mitgerissen worden. Das Problem war, dass Sex ohne Verpflichtung für sie niemals eine Option sein würde, wohingegen er sich gerade nur das gestattete.
Er ließ ihr einen Augenblick Zeit, sich zu fassen. Vielleicht gab es Menschen, die tatsächlich in ihrer kleinen, eng begrenzten Welt besser dran waren. Der Gedanke traf ihn wie ein Hammerschlag. Möglicherweise war es falsch von ihm gewesen, Lauras Horizont erweitern zu wollen. Nun aber, da er sie geküsst hatte, konnte sie auf keinen Fall in Thrushton bleiben, nicht, wenn sie nicht in seinem Bett landen wollte!
Langsam folgte er ihr zum Wagen und setzte sich wortlos ans Steuer.
"Es ist nie passiert", flüsterte Laura.
Cassian warf ihr einen spöttischen Blick zu. Wenn sie tatsächlich glaubte, er könnte diesen Moment je vergessen, irrte sie sich gewaltig. Er ließ den Motor an, legte den Gang ein und gab Gas. "Konzentrieren wir uns darauf, einen neuen Job für dich zu finden, ja?" schlug er barsch vor.
In Harrogate angekommen, führte Cassian Laura geradewegs in eine schicke Boutique. Ohne auf ihren Protest einzugehen, erklärte er ihr, dass sie viel schneller einen Job finden würde, wenn sie sich nicht in einem Kostüm vorstellte, das aussah, als hätte es schon Tante Enid getragen. Widerstrebend gab Laura sich geschlagen, bestand aber darauf, ihm das Geld von ihrem zukünftigen Lohn zurückzuzahlen.
Während eine Verkäuferin mit Laura davonging, machte Cassian es sich in einem Sessel bequem und wurde von einer hübschen Rothaarigen mit Kaffee und Keksen verwöhnt. Ihre Beine waren nicht so schön wie Lauras.
Schließlich tauchte die Verkäuferin wieder auf. "Nun, was halten Sie davon?" fragte sie siegesgewiss.
Cassian drehte sich um und schluckte. Was er erblickte, raubte ihm buchstäblich den Atem. "Perfekt", brachte er lediglich heraus.
Das ärmellose marineblaue Kleid hob Lauras ungewöhnlich blaue Augen hervor. Es umschmeichelte ihre fabelhafte Figur, wobei die Länge bis kurz unters Knie ihre wohlgeformten Beine betonte und sie insgesamt größer und eindrucksvoller wirken ließ. Hochhackige Pumps und eine zart schimmernde Strumpfhose unterstützten diese Wirkung. Und als Laura sich dann nach den Anweisungen der Verkäuferin vor ihm drehte und bewegte, wurde Cassian zum ersten Mal richtig bewusst, welche natürliche Anmut sie besaß.
"Dazu gehört ein Jäckchen, das in der Farbe genau zu Madams Augen passt", flötete die Verkäuferin und half der überraschten "Madam" eifrig hinein.
"Gefällt es dir, Laura?" erkundigte sich Cassian mit unbewegter Miene.
Ihre strahlenden Augen verrieten mehr als alle Worte. "Ja, es ist wundervoll", antwortete sie zögernd. "Aber ich glaube nicht, dass ich es mir leisten kann."
"Dann betrachte es als dein … Abschiedsgeschenk", entgegnete er schroff. Warum fiel es ihm so schwer, das Wort auszusprechen?
"Abschied?" wiederholte sie besorgt. "Ach so, natürlich." Laura schluckte. Der Gedanke erschreckte sie sichtlich. "Ich … ich weiß nicht …"
"Aber ich weiß es." Cassian stand geschäftig auf und reichte der Verkäuferin seine Kreditkarte. "Ich habe keine Zeit, hier noch länger herumzusitzen. Schließlich muss ich ein Büro einrichten."
"Ein Büro? Du?" erkundigte sich Laura erstaunt.
"Für eine Kollegin", erwiderte er rasch. Er musste vorsichtig sein, wenn er die Art seiner "Geschäfte" geheim halten wollte. "Komm jetzt. Die Sachen sind genau richtig für ein Vorstellungsgespräch." Und so drängte er sie ohne viel Federlesen dazu, von ihm ein teures Modellkleid anzunehmen samt der dazu passenden Schuhe und Handtasche, die die Verkäuferin auch noch schnell heraussuchte.
Als Cassian und Laura Stunden später nach Thrushton Hall zurückfuhren, hatte er ein großes georgianisches Haus mit Blick ins Grüne gemietet und die nötigen Büromöbel und technischen Anlagen bestellt. Sheila konnte jeden Tag eintreffen, und er wollte nicht, dass die Arbeit seiner Wohltätigkeitsstiftung verzögert wurde.
Auch Laura hatte einen erfolgreichen Tag mit vier Jobangeboten zu verbuchen und strahlte geradezu vor
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