Wende
und Geflügel zu, dazu Drosseln und Amseln, wilden Eber, Wildbret, Dachs, Otter, Bieber und Hase. Wer Fisch vorzog, konnte wählen zwischen Aal, Hecht, Stör, Hornhecht, Brassen, Felchen, Gründlingen, Welsen, Groppen, Häslingen, gesalzenem Dorsch und Hering. Und Richental fügt hinzu: »Man hat och fail (viel) hoppatzker (Frösche) und schnecken, die koften die Walchen (Welschen = Italiener).« 11
Sobald er und sein Hofstaat angemessen untergebracht waren, waren die praktischen Arrangements Cossas geringstes Problem. Gegen seinen Willen organisierte sich das Konzil selbst und beschloss, nach »Nationen« abzustimmen – Italiener, Franzosen, Deutsche, Spanier, Engländer jeweils als ein »Block« –, was Cossas Position und den Einfluss seiner wichtigsten Parteigänger schmälerte. Seine Macht schmolz also rapide dahin, und umso mehr achtete Cossa auf sein Prestige. Wenn er sich auch kaum auf moralisch überlegene Gründe berufen konnte, so wusste er seine zeremonielle Bedeutung sehr wohl zu nutzen. Er musste dieser ganzen gewaltigen Versammlung zeigen, dass er nicht nur der kleine neapolitanische Fuchs war, sondern Stellvertreter Christi, die Verkörperung spirituellen Glanzes und weltlicher Grandezza.
Ganz in Weiß gewandet, die weiße Mitra auf dem Kopf und hoch zu Ross, auf einem Schimmel, inszenierte Baldassare Cossa am 28. Oktober 1414 seinen Einzug nach Konstanz. Vier Bürger der Stadt trugen den goldenen Baldachin über seinem Kopf. Zwei Grafen, einer römisch, der andere deutsch, gingen an seiner Seite und hielten die Steigbügel. Hinter ihm ritt ein Mann auf einem großen Pferd, aus dessen Sattel ein langer Stab herauswuchs, der einen riesigen Schirm aus rotem und goldenem Tuch trug – Richental hielt ihn irrtümlich für einen Hut. An der Spitze dieses Schirms, der breit genug war, um sich über drei Pferden auszuspannen, steckte eine goldene Kugel, auf der wiederum ein goldener Engel stand, der ein Kreuz trug. Hinter diesem Schirm ritten neun Kardinäle, alle in langen roten Mänteln und roten Kapuzen, dazu trugen sie alle die breiten roten Kardinalshüte. Andere Kleriker und die Beamten der Kurie,
unter ihnen Poggio, folgten mit Begleitern und Dienern. An der Spitze der Prozession zogen in langer Linie neun Schimmel mit roten Satteldecken. Acht von ihnen waren mit Gewändern beladen – die Garderobe des Papstes war das Zeichen dafür, dass er an seiner heiligen Identität festhielt. Der neunte Schimmel, über dessen Kopf eine kleine Glocke bimmelte, trug auf seinem Rücken einen versilberten Korb, der mit einem roten Tuch bedeckt war und zu dessen Seiten zwei silberne Leuchter mit brennenden Kerzen angebracht waren. In diesem Korb, juwelenbesetzte Kiste und Grab zugleich, befand sich das Heilige Sakrament, Blut und Leib Christi. Der Papst, Johannes XXIII., war angelangt.
Die wichtigste Aufgabe des Konzils war die Beendigung des Schismas, aber es war nicht seine einzige. Noch zwei weitere große Fragen standen an: die Reform der kirchlichen Hierarchie und Regierung – auch das verhieß nichts Gutes für Johannes XXIII. – sowie die Unterdrückung der Ketzerei. Diese Aufgabe konnte dem bedrängten Fuchs Entlastung verschaffen, die wohl einzige taktische Waffe, die ihm blieb. Die Korrespondenz, die die Sekretäre für ihren Papst kopierten, sollte die Aufmerksamkeit von Schisma und päpstlicher Korruption ablenken, hin auf jemanden, dessen Namen Poggio in den offiziellen Dokumenten von nun an wieder und wieder zu schreiben hatte.
Der vierundvierzigjährige Jan Hus, ein tschechischer Priester und religiöser Reformer, war bereits seit einigen Jahren ein Dorn im Fleisch der Kirche. Von seiner Kanzel herab und in seinen Schriften hatte er die Verfehlungen der Kleriker angegriffen, die weit verbreitete Gier, Scheinheiligkeit und sexuelle Unmoral verurteilt. Er verdammte den Handel mit Ablasszetteln als Schwindel, als schamlosen Versuch, von den Ängsten der Gläubigen zu profitieren. Seine Mitbrüder forderte er auf, ihren Glauben nicht auf die Jungfrau zu richten, nicht auf die Heiligenverehrung, nicht auf Kirche oder Papst, sondern auf Gott allein. Die höchste Autorität in allen Fragen der Lehre sei die Heilige Schrift.
Mutig befasste sich Hus nicht nur mit Fragen der Lehre, sondern auch mit der Politik der Kirche in einer Zeit wachsender nationaler Unruhe. Der Staat, so argumentierte er, habe das Recht und die Pflicht, die Kirche zu überwachen. Laien könnten ihre geistlichen Führer sehr
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