Wende
Kardinäle verhaftet und in einem am Rheinufer gelegenen Dominikanerkloster eingekerkert: in einer unterirdischen Zelle, durch die Abwässer und Abfälle entsorgt wurden. Als er daraufhin schwer erkrankte, bat er einen Advokaten zu benennen, der seine Sache vertreten solle; das wurde mit dem Argument abgelehnt, nach kanonischem Recht dürfe niemand zugunsten eines Mannes plädieren, der der Ketzerei angeklagt sei. Trotz der Proteste von Hus und
seiner böhmischen Unterstützer über die offensichtliche Verletzung der Geleit-Zusage entschloss sich der Kaiser, nicht zu intervenieren. Er sei, so wurde kolportiert, unzufrieden damit, dass die Behandlung Hus’ als Wortbruch seinerseits erscheinen müsse, doch habe er sich von einem englischen Kardinal versichern lassen, dass man einem Ketzer gegenüber nicht Wort halten müsse.
Wenn Cossa wirklich geglaubt hatte, dass die Verfolgung von Hus das Konzil von seiner Entschlossenheit, das Schisma zu beenden, ablenken oder seine Gegner zum Schweigen bringen würde, dann war dies ein schwerer Irrtum. Die Stimmung am päpstlichen Hof verfinsterte sich, doch der Papst hielt weiter an seinen spektakulären öffentlichen Auftritten fest. Richental beschreibt die Zeremonie:
Und wenn er den segen wolt geben, so ging vor i(h)m her ain bischoff mit ainr infeln (Mitra), und trug vor im das crütz; und nach dem crütz komment zwen bischoff mit wißen inflen, die trügent zwo vast groß brinnend kertzen in ir henden (in ihren Henden) ... Darnach kommend vier cardinäl, och in wyßen inflen, ettwe (manchmal) auch sechs, ettwe minder, etwan kam och in den ärger (Erker) unser herr küng (der König). Und ettwen die cardinal und der küng staltend (stellten) sich in die bayen (Fensternischen). Und nach dem, so kam unßer hailger vater der bapst, angelait (angezogen) so er iemer kostlichost (köstlicher, kostbarer) mocht sin als ein priester. Und hatt ein wiß inflen uff sinem hopt, und hatt under dem messachel (Messgewand) ain rock me(h)r denn ain priester und hat zween hendschuch an sinen henden und ein großes fingerling (Ring) mit ainem großen edlen stain an dem mitteln finger der rechten hand. Und stellt sich in den mittlosen (mittleren) bayen, dass i(h)n menglich sach (alle sahen).
Darnach comment sin senger (Sänger) all mit brinnenden kertzen, dass der ärger (Erker, Balkon) schein, als ob er brunne (brenne), und staltend sich hinder inn. Und gieng ain bischoff zu i(h)m und zoch i(h)m sein inflen ab. Und nach dem, do fieng der bapst an ze singen in gemacher stimm ... Sit nomen domini benedicti. 14
Das gaffende Publikum hatte also zu staunen, doch wurde, was von diesem unbemerkt vor sich ging, immer beunruhigender. Weiterhin leitete der Papst die Konzilssitzungen, hatte aber jeden Einfluss auf die Tagesordnung verloren, und es zeigte sich, dass Kaiser Sigismund, der am 25. Dezember in Konstanz eingezogen war, nicht bereit war, ihn weiter zu stützen.
Noch hatte Cossa Verbündete. Während einer Sitzung am 11. März, als das Konzil darüber diskutierte, wie man zu einem einzigen Papst für die ganze Kirche finden könne, erhob sich der Erzbischof von Mainz und erklärte, er werde niemals einem anderen gehorchen als Papst Johannes XXIII. Doch kein Chor der Unterstützer, dessen Votum er wohl auslösen wollte, ließ sich vernehmen. Stattdessen rief der Patriarch von Konstantinopel aus: »Quis est iste ipse? Dignus est comburendus!« (»Wer ist denn er? Er verdient es, verbrannt zu werden!«) Der Erzbischof verließ die Versammlung, die daraufhin vertagt wurde.
Der Fuchs saß in der Falle, und jeden Augenblick konnte sie zuschnappen. Konstanz, sagte er sich, ist nicht länger sicher. Verlangte also, dass man das Konzil an einen anderen Ort verlege, an dem er sich besser fühle. Der König verweigerte das, und der Rat der Stadt beeilte sich, wie Richental berichtet, zu versichern: »Hett sin hailikait nit genug gelaitz (Sicherheit), so wöltend sy i(h)m gelait geben und i(h)n och behüten vor aller welt. Und solt es als hert werden (so hart, heftig zugehen), daz sy ire kind essen müßtind (ihre Kinder verzehren müssten), dannocht wültend sie i(h)n nit lassen (würden ihn dennoch nicht im Stich lassen).« 15 Das konnte Cossa, der Jan Hus ähnlich verstiegene Versprechungen gemacht hatte, wohl kaum beruhigen. Am 20. März 1415 gegen ein Uhr mittags machte er sich davon. In grauem Umhang und grauer Kapuze, die sein Gesicht verbarg, ritt er unerkannt durch das Stadttor, neben sich
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