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Wendekreis des Krebses

Wendekreis des Krebses

Titel: Wendekreis des Krebses Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Miller
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paar Francs zu feilschen. Ich ging zu dem Stuhl hinüber, auf dem meine Kleider lagen, und fummelte einen Hundertfrancsschein aus meiner Uhrtasche, wobei ich ihr jedoch sorgfältig den Rücken zudrehte. Und als weitere Vorsichtsmaßnahme breitete ich meine Hose an der Bettseite aus, an der ich, wie ich wußte, liegen würde. Die hundert Francs stellten sie nicht ganz zufrieden, aber an dem schwachen Einspruch, den sie erhob, konnte ich merken, daß es genug war. Dann riß sie mit einer Energie, die mich in Erstaunen setzte, ihren Kimono herunter und sprang ins Bett. Sobald ich die Arme um sie gelegt und sie an mich gepreßt hatte, streckte sie die Hand nach dem Schalter aus und das Licht erlosch. Sie umarmte mich leidenschaftlich und stöhnte wie alle französischen Pritschen, wenn sie einen im Bett haben. Sie machte mich ganz toll mit ihrem Getue: Das mit dem Lichtausdrehen war mir neu, es schien echt zu sein. Aber ich war auch argwöhnisch, und sobald es unauffällig ging, fühlte ich mit der Hand, ob meine Hose noch auf dem Stuhl lag.
    Ich dachte, wir seien gut untergebracht für die Nacht. Das Bett war sehr bequem, und die Laken waren sauber, wie ich bemerkt hatte. Wenn sie sich nur nicht so umherwälzen wollte! Man hätte glauben mögen, sie haben einen Monat lang mit keinem Mann mehr geschlafen. Ich wollte weitermachen. Ich wollte den vollen Gegenwert für meine hundert Francs. Aber sie murmelte alles mögliche Zeug in dieser verrückten Bettsprache, die einem sogar noch rascher ins Blut geht, wenn es dunkel ist. Ich legte mich ins Zeug, aber es war unmöglich mit ihrem Stöhnen und Keuchen und Gestammel: « Vite , chéri! Vite, chéri! Oh, c’est bon! Oh, oh! Vite, vite, chéri! » Ich versuchte zu zählen, aber es war wie ein abrasselnder Feuermelder. « Vite, chéri! », und diesmal schüttelte es sie so atemlos, daß ich, peng! die Sterne flimmern sah, meine hundert Francs und die fünfzig, die ich ganz vergessen hatte, waren dahin, schon ging das Licht wieder an, und mit der gleichen Munterkeit, mit der sie ins Bett gesprungen war, sprang sie wieder heraus und grunzte und quiekte wie eine alte Sau. Ich legte mich zurück und paffte eine Zigarette, wobei ich reuig meine Hose anstarrte, die schrecklich zerknittert war. Im Nu war sie wieder da, hüllte sich in ihren Kimono und sagte mir in ihrer aufgeregten Art, ich sollte es mir bequem machen. «Ich gehe nur hinunter, um nach Mutter zu sehen», sagte sie. « Mais faites comme chez vous, chéri. Je reviens tout de suite .»
    Nachdem eine Viertelstunde vergangen war, fühlte ich mich tief beunruhigt. Ich ging ins Nebenzimmer und las einen auf dem Tisch liegenden Brief. Es war nichts von Bedeutung – ein Liebesbrief. Im Badezimmer untersuchte ich alle auf dem Regal stehenden Flaschen. Sie besaß alles, was eine Frau braucht, um gut zu riechen. Ich hoffte noch immer, sie würde zurückkommen und mich noch mal für den Gegenwert von fünfzig Francs schadlos halten. Aber die Zeit verstrich, und nichts war von ihr zu sehen. Ich begann, unruhig zu werden. Vielleicht starb dort unten wirklich jemand. Gedankenlos, vermutlich aus einem Gefühl der Selbsterhaltung, begann ich mich wieder anzuziehen. Als ich meinen Gürtel zuschnallte, fiel mir blitzhaft ein, wie sie die Hundertfrancsnote in ihre Geldbörse gestopft hatte. In der Aufregung des Augenblicks hatte sie die Börse in das obere Fach des Kleiderschranks gelegt. Ich erinnerte mich an die Geste, die sie machte, wie sie auf Zehenspitzen dastand und in das Fach hinauflangte. Ich brauchte keine Minute, um den Kleiderschrank zu öffnen und nach der Börse zu tasten. Sie lag noch dort. Ich öffnete sie hastig und sah meinen Hundertfrancsschein niedlich zwischen den seidenen Trennfächern liegen. Ich legte die Börse an dieselbe Stelle zurück, schlüpfte in Mantel und Schuhe und ging dann hinaus auf den Treppenabsatz und lauschte angestrengt. Ich hörte keinen Laut. Wohin sie gegangen war, das mochte Gott wissen. Im Nu stand ich wieder vor dem Kleiderschrank und griff nach ihrer Börse. Ich sackte die hundert Francs und das ganze Kleingeld ein. Dann schlich ich, leise die Tür schließend, auf Zehenspitzen die Treppe hinunter und schritt aus, sobald ich die Straße erreicht hatte, so rasch mich meine Beine tragen wollten. Am Café Boudon machte ich halt, um einen Happen zu essen. Die Huren dort amüsierten sich damit, sich über einen dicken Mann lustig zu machen, der über seiner Mahlzeit eingeschlafen war. Er

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