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Wendekreis des Krebses

Wendekreis des Krebses

Titel: Wendekreis des Krebses Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Miller
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sorglos! Es ist ein Verbrechen, solche Leute in Kasernen zu pferchen, sie herumzuscheuchen, in Gemeine und Feldwebel und Obersten und was nicht noch alles einzuteilen.
    Wie gesagt, die Dinge verliefen friedlich. Dann und wann kam Carl mit einer Arbeit für mich, Reisebeschreibungen, die er nicht selber verfassen mochte. Sie wurden mit nur fünfzig Francs fürs Stück honoriert, aber sie waren leicht zu schreiben, denn ich brauchte nur die früheren Fassungen durchzusehen und die alten Artikel neu zu frisieren. Die Leute lasen diese Sachen nur, wenn sie auf einer Toilette saßen oder die Zeit in einem Wartezimmer totschlugen. Die Hauptsache war, die Eigenschaftswörter gut aufzupolieren, das übrige war eine Frage von Daten und Statistiken. Wenn es ein wichtiger Artikel war, unterzeichnete ihn der Abteilungsleiter selber; er war ein Dummkopf, der keine Sprache richtig sprechen konnte, aber Fehler zu finden verstand. Wenn er eine Stelle entdeckte, die ihm gut geschrieben schien, sagte er: «Sehen Sie, so müssen Sie schreiben! Das ist schön. Sie haben meine Genehmigung, es in Ihrem Buch zu verwerten.» Diese schönen Stellen entnahmen wir manchmal dem Konversationslexikon oder einem alten Reiseführer. Manche davon übernahm Carl in sein Buch, sie hatten einen surrealistischen Anstrich.
    Dann eines Abends öffne ich, nachdem ich einen Spaziergang gemacht hatte, die Tür, und eine Frau kommt aus dem Schlafzimmer herausgesprungen. «Sie also sind der Schriftsteller!» ruft sie sofort aus und betrachtet meinen Bart wie zur Bekräftigung ihres Eindrucks. «Was für ein scheußlicher Bart!» meint sie. «Ich glaube, ihr Leute hier müßt verrückt sein.» Fillmore kommt ihr nach mit einem Laken in der Hand. «Sie ist eine Fürstin», erklärt er mir, mit den Lippen schmatzend, als habe er gerade seltenen Kaviar gekostet. Die beiden waren zum Ausgehen angezogen. Ich konnte nicht begreifen, was sie mit dem Bettzeug wollten. Und dann fiel mir plötzlich ein, daß Fillmore sie ins Schlafzimmer geschleppt haben mußte, um ihr seinen Wäschesack zu zeigen. Das tat er mit jeder neuen Frau, besonders, wenn sie Französin war. ‹Ohne Geld – kein Hemd!› war auf dem Wäschesack eingestickt, und Fillmore war irgendwie versessen darauf, dieses Motto jedem ins Haus kommenden Frauenzimmer zu erklären. Aber diese Dame war keine Française , das machte sie mir sofort klar. Sie war Russin, und eine Fürstin dazu, nichts Geringeres.
    Er verhaspelte sich vor Aufregung wie ein Kind, das ein neues Spielzeug gefunden hat. «Sie spricht fünf Sprachen!» sagte er, offensichtlich von einer solchen Leistung überwältigt.
    «Nein, vier!» verbesserte sie sofort.
    «Na, also vier … Jedenfalls ist sie ein verdammt kluges Mädchen. Du solltest sie reden hören.»
    Die Fürstin war nervös, sie hörte nicht auf, ihren Schenkel zu kratzen und ihre Nase zu reiben.
    «Warum will er jetzt sein Bett machen?» fragte sie mich plötzlich. «Glaubt er, mich auf diese Weise zu bekommen? Er ist ein großes Kind. Er benimmt sich unmöglich. Ich führte ihn in ein russisches Restaurant, und er tanzte wie ein Neger.» Sie wackelte mit ihrem Popo, um es zu veranschaulichen. «Und er spricht zu viel. Zu laut. Er redet Unsinn.» Sie huschte im Zimmer umher, betrachtete die Bilder und die Bücher, wobei sie die ganze Zeit hochnäsig den Kopf erhoben hatte, aber nicht, ohne sich zwischendurch zu kratzen. Dann und wann drehte sie bei wie ein Schlachtschiff und feuerte eine Breitseite ab. Fillmore war ständig hinter ihr her, mit einer Flasche in der einen und einem Glas in der anderen Hand. «Hören Sie auf, mir so nachzurennen!» rief sie. «Und haben Sie nichts zu trinken als das da? Können Sie keine Flasche Champagner holen? Ich muß Champagner haben. Meine Nerven! Meine Nerven!»
    Fillmore versuchte, mir ein paar Worte ins Ohr zu flüstern. «Eine Schauspielerin … ein Filmstar … ein Kerl hat sie sitzenlassen, und darüber kommt sie nicht weg … Die werde ich schon noch verrückt machen …»
    «Dann verdrücke ich mich», sagte ich, als uns die Fürstin mit einem Schrei unterbrach. «Warum flüstern Sie so?» schrie sie, und stampfte mit dem Fuß auf. «Wissen Sie nicht, daß das nicht höflich ist? Und Sie , ich dachte, Sie wollten mit mir ausgehen. Ich muß mich heute abend betrinken. Das habe ich Ihnen bereits gesagt.»
    «Ja, ja», beschwichtigte Fillmore sie, «wir gehen sofort. Ich will nur noch ein Glas trinken.»
    «Sie sind ein Schwein!»

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