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Wendland & Adrian 02 - Die Krypta

Wendland & Adrian 02 - Die Krypta

Titel: Wendland & Adrian 02 - Die Krypta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Görden
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göttliche Vorsehung am Werk sein. Er musste seine Pläne ändern, die Hexe in seine Pläne einbeziehen. Offenbar wollte Gott von ihm, dass er sie in seine Pläne einbezog. Die Heilige Inquisition war noch nicht beendet. Er fragte sich, warum Gott sie zu ihm geschickt hatte. Ausgerechnet jetzt. Natürlich ging er nicht wieder hinunter in die Krypta. Als sie die Treppe hochgestiegen war, wartete er einen Augenblick, dann öffnete er die Gittertür und folgte ihr. Draußen vor dem Dom steuerte sie auf die Treppe zur U-Bahn zu. Wie träge und sinnlich sich in der engen Hose ihre schweren Frauenhüften bewegten und die fleischigen Schenkel!
    Wahrscheinlich ist sie DIE Hexe, dachte er, so wie ich DER Engel mit dem Flammenschwert sein werde. Die göttliche Vorsehung hat uns zusammengeführt. In ihr verkörpert sich all das, was die Kirche in den Jahrhunderten so unerschütterlich bekämpft hat. Gott hat sie mir geschickt, damit ich an ihr ein Exempel statuiere und all diesen bedauernswerten Frauen den Weg weise, wie sie sich aus ihrer sündigen, sinnlichen Gebundenheit an die dunkle Welt befreien können. Sein Herz war voller Liebe für diese arme Kreatur, und zugleich empfand er Ekel, tiefen Abscheu. Er würde ihr Erlösung bringen. Sie würde lernen sich von der Erde zu lösen und ihr Gesicht dem Himmel zuzuwenden.
    Während er ihr hinunter zur U-Bahn folgte, lächelte er den Passanten freundlich zu. Die Menschen brauchten Liebe und Freundlichkeit, und ihre verirrten Seelen brauchten die fürsorgliche, harte Hand der göttlichen Gerechtigkeit.
    Erfühlte sich sehr leicht und beschwingt, seine Füße schienen geradezu über das Pflaster schweben. In den letzten Tagen hatte er viele Stunden unten im Geheimen Gewölbe auf dem Sonnensymbol gestanden und in der immer stärker werdenden Energie geradezu gebadet. Wahrscheinlich bin ich schon jetzt mehr Engel als Mensch, dachte er. Bestimmt kann ich mich unsichtbar machen, allein durch meine Willenskraft, so- dass die Leute mich nur sehen, wenn ich sie anlächle.
    Die Hexe ging die Treppe zu den Bahnsteigen hinunter. Sie wird mich nicht bemerken, dachte er. Das göttliche Licht hüllt mich ein wie ein schützender
    Mantel. Am Barbarossaplatz stieg sie um und er folgte ihr in die andere Bahn, setzte sich in den Wagen hinter demjenigen, in den sie eingestiegen war. Er freute sich über die Leichtigkeit, mit der ihm die Verfolgung gelang. Dass hier die göttliche Vorsehung am Werk sein musste, war offensichtlich. Die Bahn rollte am Rheinufer entlang. Die Sonne tauchte den Fluss in himmlisches Licht. Das Licht reinen Geistes. Sein Mitgefühl war bei den Seelen in den vielen Autos auf der Rheinuferstraße. In Marienburg stieg sie aus. Er blieb in der Wagentür stehen, als sie an ihm vorbeiging. Sie sah ihn nicht, und er sprang erst im letzten Moment heraus, als sie schon an der Fußgängerampel stand. Er verbarg sich hinter einem Fahrkartenautomaten und sah sie die Rheinuferstraße überqueren. Eigentlich müsste ich mich gar nicht verstecken, sie kann mich nicht sehen, dachte er. Aber noch war er sich seiner Engelnatur nicht völlig sicher.
    Leichtfüßig und leise folgte er ihr, hielt sich in vierzig, fünfzig Metern Entfernung auf der anderen Straßenseite, dicht bei den Alleebäumen. Zu seiner Überraschung bog sie in die kleine Straße ein, die zur Vandenberg-Villa führte. Das war eigenartig. Was wollte sie dort? Neben dem großen Tor gab es eine kleine Pforte. Dort blieb sie stehen, zog einen Schlüssel aus der Tasche, schloss auf und betrat den Park. Er sah sie zwischen den alten Bäumen zur Villa gehen.
    Was für eine geheimnisvolle Kette von Fügungen! Die Hexe wohnte oder arbeitete im Haus der Vandenbergs. Einen Moment stand er hinter einem Alleebaum und blickte zu dem riesigen Haus mit den zwei Türmen hinüber. Dann ging er zum Rheinufer zurück, um mit der nächsten Bahn wieder zum Dom zu fahren. Er fühlte sich heiter und leicht, voller Zuversicht. Gott hatte ihm diese Hexe geschickt. Das war ganz klar ein Auftrag an ihn. Morgen war der große Tag endlich da - und ihr zuliebe, allen Frauen zuliebe, würde er seine Pläne ändern ...
    Auf der Fahrt ins Präsidium hatte sich eine Menge Wut in Susanne angestaut - Wut darüber, dass Antweiler offensichtlich bei der Vertuschung eines Verbrechens mitwirkte, Wut darüber, dass ihr wichtigster Informant nun tot war, und auch Wut auf sich selbst. Sicher waren ihre Schläge nicht der Grund für den Selbstmord, aber vielleicht

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