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Wendland & Adrian 02 - Die Krypta

Wendland & Adrian 02 - Die Krypta

Titel: Wendland & Adrian 02 - Die Krypta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Görden
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Treppe zur Krypta hinunter. Vor der Tür des Gebetsraumes blieb Chris stehen und drehte sich zu dem Priester um. Er hatte sich das weiße Tuch über die Schulter geworfen und versteckte die Pistole nicht mehr. Seine Augen funkelten und um seinen Mund zuckte es. »Geh nur weiter, Hexe!« Alles Sanfte war aus seiner Stimme verschwunden. Sie klang aggressiv und hasserfüllt.
    Als Chris den Gebetsraum betrat, stellte sich wieder der gleiche Effekt ein wie am Tag zuvor - ganz plötzlich schwand ihre Kraft, und ihre Knie wurden weich. Es war, als träfe sie der böse Blick des Mannes auf dem Altarbild. Aber diesmal war sie besser vorbereitet. Sie konzentrierte sich auf die Vorstellung einer Bärin, die hoch aufgerichtet auf einem Hügel steht, bereit ihr Junges gegen jeden Feind zu verteidigen. Das half. Die Kraft kehrte in ihre Beine zurück, und der Mann auf dem Altarbild wirkte nicht mehr bedrohlich, sondern nur noch hässlich.
    Ermekeil warf plötzlich einen Schlüssel an ihr vorbei, der klirrend vor dem Altarbild landete. »Los! Heb ihn auf!«
    Dazu musste sie sich hinknien und unter den schrankartigen Altar fassen. Sie glaubte zu spüren, wie Ermekeil sie dabei von hinten anstarrte.
    »Schieb es zur Seite!« Chris stand auf. Das Bild ließ sich tatsächlich seitlich wegschieben. Sie steckte den Schlüssel in das Schloss der Tür dahinter und öffnete sie.
    Eine lange, dunkle Treppe lag vor ihr, aber von unten drang blaues Licht herauf, so hell und intensiv, dass sie die Stufen gut erkennen konnte. Die Luft roch stechend wie bei einem Gewitter. Und der eigenartige Summton war hier noch deutlicher hörbar als oben im Dom. Sie stiegen hinab.
    Am Fuß der Treppe lag ein Mann, dessen Kopf in groteskem Winkel von seinen Schultern abstand. Chris erkannte den kleinen, rundlichen Priester wieder, den sie am Tag zuvor mit Susanne im Dom getroffen hatte. In dem kalten, blauen Licht wirkte sein verzerrtes Gesicht mit den toten Augen gespenstisch. Chris blieb stehen. Sofort spürte sie, wie Ermekeil ihr den Pistolenlauf unbarmherzig in den Rücken presste. Es kostete sie große Überwindung, sich von dem erschreckenden Anblick loszureißen und über den Toten zu steigen, wie über eine achtlos weggeworfene Stoffpuppe.
    »Scharenbroich, diese gute Seele erlösen zu müssen, hat mich sehr traurig gemacht. Männer sind Gott so nahe.« Jetzt klang seine Stimme wieder sanft und fromm. Was Chris vor sich sah, konnte sie überhaupt nicht einordnen. Sie standen in einer gewaltigen Säulenhalle, auf deren Boden eine von einem blauen Kreis umgebene riesige goldene Sonne aufgemalt war. Von den drei monströsen Metallgebilden, die um diesen Kreis angeordnet waren, strahlte das blaue Licht aus. Die Luft summte und vibrierte, als stünden sie mitten in einem Kraftwerk. Aber dennoch verspürte Chris fast keine Angst. Sie hatte das deutliche Gefühl am Ziel angelangt zu sein. Hierher war sie geführt oder gerufen worden, ohne zu wissen, von wem und wozu. Eine sonderbare Ruhe erfüllte sie.
    Wieder spürte sie den Pistolenlauf im Rücken. »Vorwärts, Hexe! Es ist nicht mehr viel Zeit. Bald wird das Gewölbe in Bischofsweiler gesprengt.«
    Langsam gingen sie zwischen den riesigen leuchtenden, knisternden und summenden Metallgebilden hindurch auf das Sonnensymbol zu.
    Ich will nicht in diesem verdammten Keller sterben, dachte Susanne, und ich werde nicht in diesem Keller sterben. Sie und Vandenberg hatten schon ein paar Mal laut gerufen. Es gab einen Kohlenschacht, aus dem schwach Tageslicht herabfiel. Irgendjemand würde sie hören. Das blaue Licht war heller geworden. Susannes Füße juckten bis hinauf zu den Knöcheln, und ihre Fußsohlen brannten wie Feuer. Sie hatte verzweifelt versucht sich von den Fesseln zu befreien, und sich dabei doch nur die Haut blutig gescheuert.
    Immer wieder gab es Vibrationen, kleine Stöße, unter denen das Haus erzitterte. Ab und zu rieselte Putz von der Decke. Susanne hatte keine Ahnung, wie viel Zeit noch bis zu der Sprengung blieb, doch es kam ihr so vor, als sei bereits eine Ewigkeit vergangen.
    Wenn nur Chris nichts geschah. Sie dachte an Chris' lustig baumelndes Zöpfchen, das sie sich um den Finger wickelte, wenn sie verlegen war, sie sah ihr Lächeln und hörte ihre wache, neugierige Stimme. Und sie versuchte krampfhaft sich nicht vorzustellen, was dieser irre Priester mit ihr anstellen würde. Offenbar hielt er sich für den letzten Großinquisitor. Chris ist stark, sagte sie sich immer wieder. Sie ist

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