Weniger Arbeit mehr Gemuese mehr Sex - Roman
erotische Präferenz, hetzt eine anonyme Amazone in meinen Hirnwindungen und lädt mir ein Bild von der rosa Krawatte auf den mentalen Monitor.
Einen kurzen Moment lang bin ich versucht, den ganzen jahrelang geprobten behutsamen Monolog über »unser Problem« kurz entschlossen über Bord zu werfen und mir stattdessen endlich den Eklat zu gönnen, von dem ich seit Ewigkeiten träume. Mal wieder so richtig nach Herzenslust toben und schreien und wütende Blicke werfen und gegebenenfalls sogar Porzellanwaren – Mensch, habe ich das lange nicht mehr gemacht! Es wird eine Erlösung sein!
Ich werfe einen taxierenden Blick auf meinen Glühweinbecher. Plastik. Der Wurfgenuss wird sich in Grenzen halten.
Komm, trink lieber noch einen, bevor du mit deiner spontanen Art mal wieder Unheil anrichtest, das du hinterher bereust, bedrängt mich mein Staatsanwalt. Offenbar hat er den Glauben an meine Fähigkeit zum konstruktiven Dialog schon wieder verloren.
Oder er bezweifelt, dass es unter Eheleuten überhaupt möglich ist, auf der Grundlage von vier Glühwein konstruktive Dialoge zu führen. Ich kann es ihm nicht verübeln. Zumal ich drei davon getrunken habe und merke, dass meine Ausdrucksfähigkeit allmählich zu wünschen übrig lässt.
»Komm, wir trinken jetzt noch einen, und dann schauen wir uns mal die Adventskränze an dem großen Stand dahinten an. Vielleicht gefällt dir ja einer für zu Hause!«, beendet Thomas mein halbherziges Ringen um eine geeignete Eröffnungssequenz für unser Beziehungsgespräch.
Der Feigling. Aber okay. Für dieses Gespräch wird es vermutlich geeignetere Situationen geben als ein Glühweingelage auf einem öffentlichen Weihnachtsmarkt.
v v v
Thomas hat dann noch zwei Glühwein gekauft. Und kurz darauf noch mal zwei. Weil ich nämlich merkte, dass er mir die alkoholfreie Variante unterzujubeln versuchte. Aber in Sachen Alkohol macht mir so schnell niemand was vor, da kann ich auf jahrzehntelanges hartes Training zurückblicken. Also protestierte ich umgehend und so lautstark, dass Thomas sich gezwungen sah, mir einen echten Glühwein zu besorgen. Er hasst Szenen in der Öffentlichkeit. Entsprechend energisch schob er mich zum Adventskranzstand.
Ergeben schlürfte ich mein Heißgetränk, während Thomas schweigsam das Angebot begutachtete. In einem Anfall von Großmut beschloss ich, ihm die Auswahl zu überlassen. Als kleine Wiedergutmachung für die Widrigkeiten des Tages, sozusagen. Außerdem war das Risiko überschaubar. Von einem bemerkenswert hässlichen Exemplar aus getrockneten rosa Hortensien mit rosa Kerzen und altrosa Schleifchen abgesehen, gab es ausnahmslos Klassiker mit roten Kerzen und goldenen Nüsslein auf saftigem Tannengrün zu kaufen. Ein bisschen kitschig vielleicht. Aber sehr niedlich.
Mir wurde plötzlich warm ums Herz. Mit einer gewissen glühweinbedingten Sentimentalität stellte ich mir einen von diesen niedlichen Kränzen in dem Häuschen am Weßlinger See vor. Dieser warme Schein der roten Kerzen, der Duft von Tannennadeln, Thomas und ich gemütlich auf dem Sofa …
»Also ich würd gerne den rosa Kranz kaufen. Ist mal was anderes. Außerdem passt er hervorragend auf unseren Couchtisch, findest du nicht?«
Deinen Couchtisch. Ich für mein Teil hasse Couchtische aus rosabraunem Granit und bezweifle darüber hinaus stark, dass sie durch einen rosa Adventskranz in puncto Ästhetik auch nur einen Hauch hinzugewinnen.
Das fühlte ich. Und das wollte ich auch sagen. Aber auf einmal hatte ich den vagen Verdacht, dass diese Formulierung mir vielleicht nicht ganz so formvollendet von den Lippen perlen würde, wie ich es mir vorstellte. War wohl doch zu viel Glühwein gewesen.
Also fügte ich mich in mein Schicksal, trank meinen halb vollen Becher auf einen Zug aus, pappte mir ein weihnachtlich-frohes Lächeln ins Gesicht und gab meinen Segen zu Thomas’ Entscheidung. Beziehungen erfordern nun mal Kompromisse. Und dieser hier fiel mir nicht allzu schwer. Erstens bin ich eine verantwortungsvoll handelnde und denkende Ehefrau. Und zweitens war mir trotz Glühweinnebel sonnenklar, dass ich das rosa Monster nach Weihnachten, in drei Wochen also, frohgemut der Mülltonne überantworten würde.
Allerdings können sich drei Wochen verdammt lange hinziehen, fürchte ich.
Thomas hat den Kranz inzwischen liebevoll auf dem Couchtisch arrangiert, ohne meinen und übrigens auch Belmondos skeptischen Blicken weiter Beachtung zu schenken.
Zu meinem Leidwesen hat er nur eine
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