Weniger Arbeit mehr Gemuese mehr Sex - Roman
richtiges Arschloch zu sein scheint.«
Endlich. Endlich ein Hoffnungsschimmer in all meinem Elend. Das gibt doch bestimmt mildernde Umstände! Ich möchte Dr. Schmidtbauer küssen vor Dankbarkeit, doch er schaut mich noch nicht mal an. »Möge das hohe Gericht entscheiden, inwiefern der Angeklagten für den täglichen Umgang mit Herrn Joachim Meidner mildernde Umstände zu gewähren sind. Ich persönlich bin jedoch der Meinung, dass sie diese Gnade durch ihr Versagen im privaten und partnerschaftlichen Bereich vollständig verwirkt hat.«
Ich schnappe nach Luft wie ein Fisch auf dem Trockenen. Völlig verstört starre ich auf ein Foto von Martina, Neele, Renate und mir. He, das ist ein Irrtum! Was haben denn meine Freundinnen damit zu tun?, brülle ich verzweifelt und bäume mich in meinem Stuhl auf. Niemand scheint mich zu hören.
»Obwohl die Angeklagte nach der Verwarnung schwor, ihre freundschaftlichen Beziehungen besser zu pflegen, kreiste sie bereits nach kurzer Zeit wieder ausschließlich um ihren eigenen Bauchnabel. Dies gilt auch für ihren Umgang mit Familienmitgliedern. Den Sorgen ihres näheren Umfelds schenkte sie nur oberflächlich Beachtung, da sie faktisch mit nichts anderem als der Potenz ihres Ehemannes Thomas befasst war, aber dazu später mehr.«
Dr. Schmidtbauer räuspert sich missbilligend. »Für den privaten Bereich ist abschließend festzustellen, dass die Angeklagte weiterhin mutwillig sämtliche Prinzipien einer seelisch-körperlich gesunden Lebensweise ignoriert hat. Im Umgang mit den weisen Lehren des Kalenders ihrer Freundin Martina ließ sie es am erforderlichen Respekt vermissen. Ihre Ernährungsweise darf getrost als katastrophal bezeichnet werden« – er zeigt auf eine überaus peinliche Großaufnahme von mir, wie ich gerade von einem Stück XXL -Pizza mit extra viel Käse abbeiße –, »sie trinkt entschieden zu viel, und ihren Meditationskurs hat sie auch abgebrochen.«
Der Staatsanwalt lacht böse auf. Das Gutachten ist offenbar ganz nach seinem Geschmack.
»Kommen wir nun zu Punkt vier, Fehlverhalten im partnerschaftlichen Bereich«, fährt Dr. Schmidtbauer fort. Mit dem Laserpointer zeigt er auf ein Foto von Thomas, wie er ergeben am Küchentisch sitzt und Brotkrümel von rechts nach links schiebt, vor sich eine offenbar in den höchsten Tönen keifende Furie.
Die Furie bin ich.
»Es gehört prinzipiell nicht zu den Aufgaben des Gerichtsgutachters, eine Qualitätsanalyse intimer Beziehungen vorzunehmen, da diese unter den Schutz der Privatsphäre fallen. Unabhängig davon ist jedoch festzustellen, dass die Angeklagte sich der fortgesetzten groben Unzufriedenheit schuldig gemacht hat. Anstatt nach der Verwarnung die längst überfällige Analyse ihrer Beziehung zu ihrem Gatten Thomas Husselrath vorzunehmen und zu einer Entscheidung zu kommen, vertat die Angeklagte wertvolle Lebenszeit mit Hadern, Zaudern, Streiten und Mutmaßen. Bis zum heutigen Tage hat sie sich nicht entweder für ein klares Bekenntnis zur Fortführung der Beziehung oder aber für die Trennung entschieden.«
Dr. Schmidtbauer stoppt theatralisch, um sich die Brille zu putzen. Durch meine Tränen sehe ich auf einmal Thomas im Publikum sitzen. Er schaut mich traurig an. Ich fühle mich schrecklich.
»Dabei fehlt es der Angeklagten keinesfalls an der für diese Entscheidungsprozesse nötigen Intelligenz. Vielmehr ist ihr Zaudern zurückzuführen auf so niedere Beweggründe wie Beziehungsroutine, gefühlten Beischlafmangel und Angst vor der eigenen Courage. Ihr Fehlverhalten ist demnach als gravierend einzustufen.«
»Herr Gutachter, wie lautet Ihr Fazit?«, brummt der Richter. So, wie der aussieht, hat er es bestimmt eilig, in die Kantine zu kommen. Entsprechend schnell wird er über meinen Fall entscheiden, fürchte ich.
Obwohl ich festgeschnallt bin, zittere ich vor Angst. Ich sehe mich wieder in der Kernspin-Röhre. Ich sehe, wie ein Arzt mir mit besorgtem Gesichtsausdruck irgendwelche Röntgenaufnahmen erklärt. Ich sehe, wie ich anfange zu weinen. Ich sehe mich, wie ich glatzköpfig zwischen anderen glatzköpfigen Elendsgestalten an dicken Schläuchen hänge, durch die giftig grüne Flüssigkeit in meinen Körper gespült wird. Weit über mir sehe ich meine Mutter, wie sie vorwurfsvoll »Wer nicht hören will, muss fühlen, Liebes!« zu mir hinunterruft. Sie will noch mehr sagen, aber in diesem Moment beginnt Dr. Schmidtbauer mit seinem Fazit.
»Die Angeklagte hat sich als komplett unfähig
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