Weniger Arbeit mehr Gemuese mehr Sex - Roman
auch nichts wirklich Neues.
Also erzähle ich lieber von meinen tagesaktuellen Ärgernissen an der Jobfront. Nervende Kunden, tyrannischer Chef, blöder Besserwisserkollege …
»Mensch, Sandra, du jammerst rum, als ob du bei Aldi an der Kasse sitzen müsstest!«, unterbricht mich Martina. »Dabei solltest du dich einfach nur freuen, dass du einen interessanten Job hast und ansonsten gesund und munter bist!«
Sieh an, erst einen auf Häufchen Elend machen und dann knallhart austeilen. Beleidigt höre ich auf zu reden.
»Jetzt guck nicht so beleidigt!«, sagt Martina. »Ist doch wahr. Schau mich an; ich hab gerade ein paar richtig existenzielle Probleme am Bein. Und du, du regst dich über Kleinkram auf, den du mit einem simplen Anti-Stress-Ratgeber mit links in den Griff kriegen würdest.«
»Ach ja? Und du meinst, so blöde Meditationskalendersprüche wie ›Du willst wissen, was Wasser ist? Trink es oder spring hinein‹ helfen mir weiter, wenn mein Chef mir mal wieder ’ne 80-Stunden-Woche aufs Auge gedrückt hat?«
Okay, das war gemein. Entsprechend verärgert reagiert Martina. »Ja, mein Gott, dann such dir halt ’nen neuen Chef! Bist ja nicht mit dem Kerl verheiratet!« Gereizt funkelt sie mich an. Kaum zu glauben, wie dicht beieinander existenzielle Verzweiflung und akute Zickigkeit liegen.
Ich will mich spontan dazu aufschwingen, ihr einen Vortrag darüber zu halten, dass beste Freundinnen zusammenhalten sollten wie Pech und Schwefel, anstatt heimtückisch übereinander herzufallen – da höre ich mich kleinlaut sagen, dass ich mich einfach nicht traue zu kündigen. Aus Angst vor den Folgen. Ich meine, auf dem Arbeitsmarkt sucht man nicht gerade händeringend nach Mittvierziger-Diplom-Übersetzerinnen mit Fachgebiet Messebauklitsche. Und dann meine Krankheit; bei der Vorgeschichte stellt einen doch keiner ein, da muss ich dem Meidner doch geradezu dankbar sein, dass er mir meinen Job freigehalten hat. Und …
Zu meinem Entsetzen steigen mir Tränen in die Augen. Martina nimmt tröstend meine Hand. Das gereizte Funkeln ist aus ihrem Blick verschwunden. Es hat einem tieftraurigen Ausdruck Platz gemacht. Wenn das so weitergeht, werden wir gleich beide vor unserem Hausschoppen sitzen und Rotz und Wasser heulen.
»Ich mach mir doch nur Sorgen um dich«, murmelt Martina versöhnlich. »Stress ist so was von ungesund. Trotzdem bist ausgerechnet du schon wieder so wahnsinnig gestresst, als hättest du nicht neulich erst einen Schuss vor den Bug gekriegt. Und als hättest du nichts, aber auch wirklich gar nichts dazugelernt.«
Jetzt starre ich auf die Maserung der Tischplatte und mansche in den Resten von Martinas Weinpfütze herum.
»Du, es gibt so gute Anti-Stress-Ratgeber, die sind echt eine Riesenhilfe! – Nein, nicht so philosophisch wie der Meditationskalender. Praxisorientiert und mit lauter konkreten Tipps!«, fügt sie schnell hinzu, als sie meinen Blick sieht. »Als Lea damals kam und ich nicht wusste, wie ich das mit den drei Kindern schaffen sollte, hat mir das Große Anti-Stress-Buch für Frauen wirklich geholfen. Allein so ein Tipp wie der, dass man sich jeden Abend vor dem Einschlafen an drei schöne Momente des Tages erinnern soll – echt super entspannend! Mache ich heute noch!«
Aufmunternd zwinkert sie mir zu. Dabei müsste ich eigentlich sie trösten. Ich bin so gerührt, dass ich gleich nach unserem Aufbruch zum Buchladen renne und mir dieses Anti-Stress-Buch kaufe. Obgleich sich bisher weder Martinas Meditationskalender noch der Bergkristall als wirklich hilfreich erwiesen haben. Aber wer weiß, vielleicht fehlt es mir ja nur an der richtigen inneren Einstellung.
13
B ei allem Ärger über die Meidner Fair & Event Design GmbH – sie hat auch eine gute Seite. Nämlich die, dass ich vor lauter Hetzerei nicht dazu komme, meine natürliche Neigung zum Selbstmitleid auszuleben.
Es ist unmöglich, sich mit bohrenden Fragen nach Ursachen, Formen und Folgen erotischer Unterversorgung zu quälen, wenn im Posteingang mehrere Dutzend Mails darauf warten, endlich geöffnet zu werden, während Chef, Kunden und Kollegen einem in Zehnminutenintervallen Infos, Anfragen und Aufträge auf den Tisch knallen. Oder aber, was noch schlimmer ist, ihre Anliegen auch noch in epischer Breite erklären. Während man verstohlen auf die Uhr schielt, sich fragt, wie man das wohl wieder alles vor Mitternacht schaffen soll, und sich trotzdem nicht traut, die Schwätzer mit einem energischen »Also ich weiß
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