Weniger Arbeit mehr Gemuese mehr Sex - Roman
Jedenfalls hat Thomas mir kürzlich erst bestätigt, was ich persönlich schon immer wusste: Aufstehen vor 7:20 Uhr ist ganz schlecht, biorhythmisch gesehen. Morgen-Grauen eben.
Überhaupt kranken diese ganzen Anti-Stress-Tipps meines Erachtens an mangelnder Durchführbarkeit. Kann schon sein, dass es entspannend ist, im Büro Lavendelöl zu versprühen, entschleunigende Mantras zu murmeln und zu jeder vollen Stunde zehn Minuten Schongymnastik zu machen. Trotzdem kriege ich für mein Teil schon grüne Pusteln, wenn ich mir vorstelle, wie der blöde Manuel feixen würde, wenn ich meine Schultern kreisen lasse oder zur Stärkung meiner Rückenmuskulatur die Adlerübung mache.
Dann schon lieber weiter unter Nackenverspannungen leiden, als zur Lachnummer für die Kollegen zu werden.
Außerdem würde mein werter Chef sämtliche Bemühungen in dieser Richtung sowieso als Arbeitszeitdiebstahl werten und sich selbst dann noch wahnsinnig darüber aufregen, wenn ich entspannende ätherische Öle literweise in sein Büro kippen würde.
Es bleibt mir also nichts anderes übrig, als nach Großkampftagen wie heute zu den bewährten Hausmitteln auf dem Stressbekämpfungssektor zu greifen: Rotwein, Cheese burger, Fernsehsofa. Wobei ich zugeben muss, dass ich vorhin trotzdem deprimiert war, als ich so dasaß und in Begleitung von Claus Kleber meinen Burger in mich hineinschaufelte.
Der Anblick unserer ebenfalls wieder recht deprimiert wirkenden Zwergkiefer trug auch nicht dazu bei, meine Stimmung zu heben. Kein Wunder. Ist schon unangenehm, wenn man so eindringlich an vergessene Silvestervorsätze erinnert wird.
In meinem Kopf bewölkte es sich zusehends. Wie war das gleich? »Seit ihrer Erkrankung genießt sie jeden Tag ihres Lebens, als ob es der letzte sei«? Dass ich nicht lache. Wenn heute der letzte Tag meines Lebens wäre, hätte ich selbst den total vergeigt.
Kein Wunder, dass ich einfach nicht einschlafen kann. Ich kuschele mich fester in mein Plumeau, mache Atemübungen zur Beruhigung meines vegetativen Nervensystems und versuche, mich an die drei schönsten Momente des Tages zu erinnern, ganz so, wie es in meinem Anti-Stress-Buch empfohlen wird.
Die drei schönsten Momente – ich lach mich tot. Mein Hirn kann nur mit den drei miesesten Momenten des Tages dienen. Und es lässt sich auch nicht davon abbringen, sie wieder und wieder vor meinem geistigen Auge abzuspulen.
Auf Platz drei der Gesamtwertung steht der Moment heute Morgen, als eine meiner sündteuren Kontaktlinsen für immer im Abfluss verschwand. Woraufhin Thomas mir ausführlich erklärte, dass Steinböcke im Haushalt 16,4 Prozent häufiger verunglücken als der Durchschnitt.
Sehr tröstlich, echt.
Platz zwei musste ich heute Nachmittag nach Punkten an meinen letzten Zusammenstoß mit Manuel vergeben. Als er mir feixend einen Zeitungsartikel mit der Überschrift »Frauen sind fleißig, Männer sind erfolgreich« überreichte, hätte ich ihn um ein Haar mit meinem Kugelschreiber erstochen.
Und auf Platz eins der Miese-Momente-Liste steht mit uneinholbarem Vorsprung ausgerechnet mein Versuch, mir an diesem beschissenen Tag endlich mal was Gutes zu tun.
Nach dem Büro war ich auf den letzten Drücker in den Supermarkt gestürzt und hatte meinen Einkaufswagen wie im Rausch mit Backzutaten vollgepackt. Frustkauf nennt man so was wohl. Nur dass andere Frauen eher im Damenoberbekleidungs- oder Handtaschensegment zuschlagen als bei Vollkornmehl, Vanillezucker und gemahlenen Mandeln.
Jedenfalls stand ich mit meinem übervollen Einkaufswagen hoffnungslos eingekeilt in der Schlange an der Kasse – als ich durch die Panoramascheiben draußen im letzten Abendlicht Benno vorbeigehen sah! Benno hier, in München!
Wenn ich nur den Mumm gehabt hätte, meinen blöden Wagen einfach in der blöden Schlange stehen zu lassen, rauszuhechten und ihm laut rufend hinterherzuspurten, hätte das mit Abstand der schönste Moment des Tages werden können. Oder sogar der schönste Tag seit unserer ersten Begegnung.
Oder die beste Entscheidung meines Lebens. Halt je nachdem, wie sich das Ganze weiterentwickelt hätte.
Aber nein, ich bin sittsam in der Schlange geblieben wie das sprichwörtliche brave Mädchen. Als ginge es um den heiligen Gral und nicht um ein paar lausige Backoblaten.
Super, Sandra. So kommst du weder in den Himmel noch sonst irgendwohin.
Frustriert starre ich in die Dunkelheit. Neele kommt mir in den Sinn. Kurz bevor wir uns in der Pfälzer Weinstube
Weitere Kostenlose Bücher