Weniger Arbeit mehr Gemuese mehr Sex - Roman
Tages, den schufte ich wie ein chinesischer Minenarbeiter.
Schon allein, um im aufkeimenden Konkurrenzkampf mit diesem Jungschnösel nicht den Kürzeren zu ziehen und um meine Beförderung gebracht zu werden. Als ich das neulich Renate erklärte, guckte sie mich sorgenvoll an. »Der Meidner verspricht immer allen alles, das weißt du doch. Diese sagenumwobene Beförderung kommt vielleicht irgendwann. Aber Leben ist jetzt!«
»Musst du mir eigentlich immer meine eigenen Sprüche unter die Nase reiben?«, zeterte ich. »Ich kann deshalb trotzdem nicht einfach kündigen und mich für den Rest meines Lebens im Ruheraum der Wellness-Oase am Marienplatz verschanzen!«
Wütend funkelte ich Renate an. Was mir im gleichen Moment leidtat. Denn nur ihr habe ich es zu verdanken, dass ich die Meidner Fair & Event Design GmbH überhaupt noch irgendwie weiter ertrage.
Jeden Tag aufs Neue bete ich mir vor, wie dankbar ich für meinen Job sein muss, heutzutage, in der Krise, nach meiner Krankheit – und trotzdem schleppe ich mich immer widerwilliger hin. Vor allem, seit ich mich mit dieser lächerlichen Frage aus dem großen Psychotest von Brigitte Woman rumquäle, als hinge von der richtigen Antwort mein Leben ab.
»Was bringt Ihnen Ihr Job außer Geld?«, hat da gestanden. Ich vermute, dass an der Stelle Antworten erwartet werden wie »Abwechslung«, »Motivation«, »geistige Befriedigung« oder womöglich sogar »Spaß«. Und nicht etwa das Wort mit den drei Buchstaben, das mein genervtes Gehirn als einzige Antwort ausspuckt: » NIX «.
Unter diesen Umständen kann von »bescheiden die kleinen Freuden des Lebens genießen« keine Rede mehr sein. Meine Gelassenheit im Umgang mit den Widrigkeiten des Alltagslebens lässt ebenfalls extrem zu wünschen übrig.
Dabei hatte ich mir während meiner Krankheit vorgestellt, dass es als Ausgleich für den erlittenen Krebsschock Weisheit eimerweise auf mich hinabregnen würde. Genauso halt, wie es immer in der Bunten steht: »Durch diesen Schicksalsschlag hat sie sich vollkommen verändert«, »Seitdem genießt sie jeden Tag ihres Lebens, als ob es der letzte wäre« und so.
Schön wär’s.
Meine Entrückung, meine zenmäßige Gelassenheit, meine guten Vorsätze, mich nie wieder stressen zu lassen und mir jeden Tag was Gutes zu tun – das alles ist so restlos weggespült wie eine Sandburg nach der Flut. Wirklich deprimierend, wie schnell sich gute Vorsätze heutzutage in Schall und Rauch auflösen.
Besonders, wenn es sich um meine eigenen handelt.
Aber ich bin nun mal schon genervt, wenn ich morgens ins Büro komme. Ich verzichte vor lauter Arbeit zähneknirschend auf meine Mittagspause. Ich mache wesentlich mehr Überstunden, als diese Klitsche verdient. Ich denke deutlich öfter »Ich hasse meinen Job«, als für meine persönliche Work-Life-Balance gut ist, und renne schon wieder genau wie früher alle drei Stunden zur Damentoilette, um meine Augenringe zu überschminken.
Und überhaupt, apropos Augenringe: Neulich traf ich abends den Schmidtbauer von über uns im Treppenhaus. Hellgrauer Teint, mittelgrauer Aktenkoffer, dunkelgraue Augenringe. Gerade wollte ich ihm mitleidig »Sie sollten einfach nicht mehr so viel arbeiten, nach Ihrem zweiten Herzinfarkt!« zurufen, da nahm er meine Hand, schaute mich mahnend an und sagte eindringlich: »Frau Heller, Sie sehen schrecklich müde aus. Wissen Sie, es geht mich ja nichts an, aber … Nach einer so schweren Erkrankung sollte man wirklich kürzertreten.«
Ich starrte ihn an und schnappte nach Luft. Hektisch durchsuchte ich meine Hirnwindungen nach einer schneidigen Antwort. Doch mir fiel nichts ein.
Die Sekunden dehnten sich zu den berühmten Ewigkeiten, und am Ende machte ich wortlos kehrt, rannte zur Parfümerie in der Hohenzollernstraße und investierte blindlings ein halbes Monatsgehalt in Entspannungsmasken, stark deckende Make-ups und einen Concealer der Luxusklasse für besonders beanspruchte Augenpartien.
Als ob das eine Lösung sei.
Das einzige Highlight auf weiter Flur war vor ein paar Wochen die Richard-Gere-Retro auf dem Münchner Filmfest. Stefan hatte Martina, Neele und mir auf unseren ausdrücklichen Wunsch über seine Redaktion Ehrenkarten für Ein Mann für gewisse Stunden besorgt.
Beim anschließenden Empfang fiel Stefan mir trotz dieser netten Geste gleich zweifach unangenehm auf. Erstens, weil er meinte, unseren cineastischen Geschmack mit einem süffisanten »Da kann man doch mal sehn, wovon die
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