Wenigstens für eine Nacht
Abschied auf die Wange geküsst hat. Hastig stürze ich zur Tür und würde sie am liebsten direkt wieder zuwerfen. Ein Mann mittleren Alters in einem schwarzen Anzug steht vor mir und lächelt mich freundlich an.
„Guten Morgen, Herr Leipold. Mit lieben Grüßen von Herrn Teubner“, drückt er mir eine riesige weiße Schachtel in die Hand und verbeugt sich leicht, bevor er sich umdreht und wieder geht. Es war kein Traum, sondern eiskalte Realität, wird mir umgehend klar.
Mit meinem rechten Fuß schiebe ich die Tür hinter mir zu und bringe den Karton in mein Schlafzimmer. Wo ich ihn auf dem Bett abstelle und mit mir ringe, ob ich ihn aufmache oder einfach so tue, als hätte es den Abend gestern gar nicht gegeben. Meine Neugierde siegt letztlich und zwingt mich den Deckel vorsichtig anzuheben, um zu sehn, was sich in der Schachtel befindet. Da mir nichts entgegen springt, und ich über meine eigene Blödheit schmunzeln muss, lege ich den Deckel unachtsam beiseite.
Ein weißer Umschlag liegt auf Seidenpapier, worunter sich dunkler Stoff befindet. Mit zittrigen Fingern nehme ich den Brief und öffne ihn, nachdem ich wie ein verliebtes Schulmädchen daran geschnuppert habe und unverkennbar Sebastians Parfüm ausmachen konnte. Irgendwie riecht einfach alles nach ihm.
**Hey Julian. Oder ich sollte vielleicht besser Liebster schreiben ;o) . Ich hoffe meine Auswahl gefällt dir. Falls irgendwas nicht in Ordnung ist, dann ruf mich an. Meine Nummer lautet 01520 327 80 34. Ansonsten bleibt es bei achtzehn Uhr. Ich freue mich. Sebastian (dein Liebster) *kicher* **
… lese ich die Zeilen und muss gestehen, dass er für einen Mann eine sehr schöne Schrift hat.
„Spinner“, schmunzle ich über die wenigen Worte und schiebe das Seidenpapier andächtig auseinander, um mir mein Outfit für heute Abend anzusehen, nur um keine Minute später bereits mein Handy am Ohr zu haben.
„Kannst du mir mal sagen was das soll? Das ist doch schweineteuer. Das kann ich mir nicht leisten“, donnere ich direkt in den Hörer, als am anderen Ende abgenommen wird.
„Dir auch einen wunderschönen guten Morgen. Du hast das Paket also schon bekommen. Es ist ein Geschenk… und außerdem bestehe ich ja darauf, dass du mit dahin gehst. Da ist es ja wohl das mindeste, dass ich deine Klamotten bezahle“, redet Sebastian völlig ruhig und gelassen auf mich ein, dass alle meine Argumente einfach so verpuffen.
„Aber…“, bringe ich schwach heraus und werde umgehend unterbrochen.
„Kein 'aber', Julian. Ich bin dir wirklich sehr dankbar, dass du da heute mit mir hingehst und möchte das ja irgendwie wieder gutmachen“, sagt er mit weicher Stimme und lässt mich seufzen, da ich ihm sowieso in keiner Art und Weise widerstehen kann.
„Okay, danke“, wispere ich schwach.
„Gefällt es dir wenigstens? Fehlt irgendwas? Wenn, dann sag es. Jeff wird es umgehend besorgen. Egal was“, redet er jetzt wieder eifrig auf mich ein und entlockt mir ein warmes Lächeln, auch wenn er es nicht sehen kann.
„Nein, nein. Alles bestens. Aber… findest du das T-Shirt nicht etwas… unangebracht?“, kommt es unsicher aus meiner Kehle und entlockt Sebastian ein herzliches Auflachen.
„Ganz im Gegenteil. Es ist einfach perfekt“, antwortet er und irgendwie wundert mich seine Aussage nicht wirklich. Er will provozieren.
„Okay, dann… bis später, ja?“, verabschiede ich mich knapp und lege, mit vor Aufregung zitternden Fingern, auf. Nur um sogleich die Nummer von Bernd im Telefonverzeichnis zu suchen.
„Hey Kleiner“, begrüßt er mich kichernd, was mich allein wegen seiner Anrede die Augen verdrehen lässt.
„Hi. Du… wegen heute Abend…“, fange ich stockend an und komme nicht weiter.
„Keine Sorge, Kleiner. Alles schon geklärt. Dein edler Prinz hat dich schon freigestellt“, amüsiert er sich königlich.
„Blödmann“, zische ich in den Hörer und muss auch lächeln. Ich sag´s ja, wie ein verliebtes Schulmädchen. Himmel, das ist ja nicht zu ertragen.
„Okay, wenn alles geklärt ist. Ich muss dann mal. Bis morgen“, verabschiede ich mich hastig von meinem Chef und haue mich einfach wieder ins Bett.
An Schlaf ist natürlich in meiner momentanen Verfassung nicht zu denken und so versuche ich mich mit fernsehen abzulenken. Was ganz wunderbar klappt. Achtung Ironie. Anders
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