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Wenn alle anderen schlafen

Wenn alle anderen schlafen

Titel: Wenn alle anderen schlafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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den
Koppelzäunen seiner Ranch saß. Er guckte mich ebenfalls an, und sein Blick
glitt von meinem Gesicht zum tiefen V-Ausschnitt des engen roten Kleids, das
ich für diesen Anlaß aus meinem Wandschrank gekramt und entstaubt hatte. Als
sich seine Lippen zu einem leisen Lächeln verzogen, wußte ich, daß ich die
richtige Wahl getroffen hatte.
    Ein Kellner beugte sich über
meine Schulter, und ich bestellte mir einen Drink. Dann sah ich zum Ende des
Tischs, wo Ted und Neal saßen. Ted sah schick aus, in einem seiner
Brokatseidenfräckchen, aber er fingerte nervös an seinem Ziegenbärtchen herum,
und seine dunklen Augen huschten nervös hin und her. Neal, weniger zerknittert
und noch tweedkord-mäßiger als sonst, sah zu mir herüber und schüttelte leise
den Kopf.
    »Worum geht’s?« flüsterte mir
Hy ins Ohr.
    »Erzähl ich dir später. Es gibt
ein paar Sachen, die ich mit dir bereden muß.« Hy war gerade noch rechtzeitig
bei mir zu Hause angekommen, um sich rasch umziehen zu können, ehe uns die
Limousine, die Ricky gemietet hatte, abholen kam; für längere Gespräche war
keine Zeit gewesen.
    »Ach?«
    »Später.«
    Charlotte und Mick waren
zwischen Neal und Rae plaziert. Mick erzählte gerade einen Witz — ausschweifend
und gestikulierend, und die Pointe hatte er sicher auch vergessen, aber das
machte nichts, denn Keim würde sie liefern. Ihn würde es nicht stören, daß sie
ihm die Show stahl, so hingerissen war er von dieser älteren jungen Frau, die
seine Begeisterung für den Cyberspace teilte.
    Keim vollendete den Witz, brach
in kehliges Gelächter aus und winkte dann in Richtung Eingang. Ich schaute
hinüber und sah, daß Anne-Marie Altman und Hank Zahn soeben eingetroffen waren,
um unsere Runde zu komplettieren. Sie hatte am Nachmittag einen Gerichtstermin
in L. A. gehabt und war dann, wegen Überbuchung des Shuttlefliegers, nicht
gleich von dort weggekommen; er hatte ihrer beider Pflegetochter Habiba Hamid
zu einer Pyjamaparty bringen müssen. Obwohl seine Pflichten vergleichsweise
leicht gewesen waren, schien Hank abgehetzt. Sein Schlips saß schief, der
Trenchcoatkragen war auf einer Seite hochgeschlagen. Anne-Marie hingegen
wirkte, allen Flugzeugproblemen zum Trotz, ruhig und frisch in dem graublauen
Seidenkleid, das das schimmernde Aschblond ihres Haars voll zur Geltung
brachte. Als sie zu unserem Tisch herüberkamen, warf Ricky Hank einen
mitfühlenden Blick zu und winkte einen Kellner herbei.
    Doch die auffallendsten
Erscheinungen unter uns waren Rae und Ricky. Er hatte immer schon
Starqualitäten gehabt, aber jetzt waren diese zu etwas gereift, das mehr war
als nur gutes Aussehen und Präsenz. Die Spuren der schmerzhaften, unglücklichen
Zeiten, die er hinter sich hatte, gaben seinem Gesicht mehr Charakter, und da
war ein neues Selbstbewußtsein in seiner Art, zu reden und sich zu bewegen. Und
etwas Sanftes und Zufriedenes in seinem Lächeln. Rae tat ihm gut.
    Und er ihr. Die strahlend
schöne Frau in Smaragdgrün mit den rotgoldenen Locken, die ihr auf die
Schultern fielen, hatte kaum noch etwas mit dem unsicheren, oft deprimierten
und immer bedürftigen Persönchen gemein, das ich vor Jahren in der
Anwaltskooperative All Souls als meine Assistentin eingestellt hatte.
    Heute abend schienen sie beide
ungewöhnlich aufgeregt. Sie hielten Händchen unterm Tisch und tuschelten ab und
zu. Sie strich ihm eine Locke seines dicken kastanienbraunen Haars zurück; er
flüsterte ihr etwas ins Ohr, was sie erröten und dann lachen ließ. Ich sah Mick
an. Er zuckte grinsend die Achseln, aber ich spürte, daß er etwas wußte, was
wir übrigen nicht wußten.
    Nach einer Weile sah Ricky Rae
fragend an, und sie nickte. Er klopfte an sein Glas, und alle wurden still.
    »Red und ich, wir haben euch
alle heute abend hierhergebeten«, sagte er, »weil ihr uns besonders viel
bedeutet und weil wir unseren ersten Valentinstag mit euch zusammen feiern
wollten. Ihr habt unsere Beziehung akzeptiert, als ein Haufen Leute es nicht
taten, und ihr habt mich als den Menschen genommen, der ich bin, und nicht als
den, den die Gazetten darstellen. Wir beide danken euch.« Der Mann, der
regelmäßig vor vielen tausend Leuten auftrat, stockte, um Worte verlegen. »Red,
wie soll ich den Rest jetzt rüberbringen?«
    »Einfach raus damit, Liebling.«
    »Okay.« Er holte tief Luft. »Da
ist noch ein Grund, weshalb wir euch hierhergebeten haben: um euch zu unserer
Hochzeit einzuladen — Datum und Einzelheiten kommen später.« Er

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