Wenn alle anderen schlafen
Wahrung unserer psychischen Gesundheit so dringend brauchten, war endlich
da; ich hoffte, daß es wenigstens übers Wochenende so bleiben würde.
Ich hörte ein Geräusch hinter
mir. O Gott, dachte ich, jetzt heult sie los. Ich sah mich um, ob Ted die leere
Kleenexschachtel auf dem Aktenschränkchen gegen eine neue ausgetauscht hatte.
Aber nein, das war kein aufsteigender Schluchzer gewesen; Bea Allen lachte.
»Ich wußte nicht, daß er zu der
Familie gehört«, sagte sie. »Muß die mütterliche Linie sein. Und dieses Zeug
hier, über seine geschäftlichen Unternehmungen — der Mann ist ja so ein Trottel!
Er braucht mich!«
Ich schwenkte wieder zu ihr
herum. »Er braucht jemanden mit Geschäftssinn, ja, aber sind Sie schon bei dem
Teil über die Geisteskrankheit in der Familie? Das ist nicht gerade ermutigend,
und dieser Vorfall mit seiner Exfrau ist doch ziemlich besorgniserregend.«
Bea Allen wischte meine Worte
mit einer Handbewegung beiseite. »Die Familiengeschichte ist mir egal. Ich will
keine Kinder. Und mit allem anderen werde ich schon fertig.«
Sie bat um die
Abschlußrechnung, und ich sagte, ich würde sie ihr schicken. »Und? Haben Sie
beide schon Pläne für den Valentinstag?« fragte ich, als ich sie
hinausgeleitete.
»Ich jetzt allerdings. Ich
werde das Hochzeitsdatum festsetzen.« Sie winkte mir mit dem Bericht zu und
ging, aber ich hatte das unternehmungsfreudige Blitzen in ihren Augen noch
bemerkt.
Ich ging zurück in mein Büro
und entwarf im Geist ein höchst deprimierendes Szenario: Bea Allen würde sich
um den Ehevertrag herummogeln, den Mann heiraten und ihm binnen eines Jahres
sämtliche geschäftlichen Vollmachten abluchsen. Dann würde sie irgendeinen
Vorfall provozieren, der sie leider zwingen würde, ihn in eine psychiatrische
Anstalt zu bringen, so daß sie freie Hand hatte, mit dem Rest des
Räuberbaronvermögens zu tun, was immer sie wollte. Ihr Mann würde natürlich aus
der Anstalt fliehen und sich fürchterlich rächen.
FRAU AUS LUXUSHOTEL IN DEN TOD
GESTÜRZT — MILLIONENERBE ERKLÄRT: »DAS AAS HAT’S VERDIENT!«
Und ich hatte Rae, die
Schriftstellerin in spe, so oft einer morbiden Phantasie bezichtigt.
Als ich mich an meinen
Schreibtisch setzte, summte die Rufanlage. »Ja, Ted?«
»Jeff Riley vom Flughafen
Oakland auf der zwo.«
»Danke.« Ich drückte die Taste.
»Jeff, danke für den Rückruf. Ich wollte Sie noch mal nach dieser Frau fragen,
die Sie bei den Stellplatzen getroffen haben. Können Sie mir noch ein bißchen
genauer sagen, wie sie aussah?«
»Na ja, wie Sie.«
»Auch leicht indianisch im
Gesicht?«
»Äh.... nein.«
»Wie dann?«
»Hm, weiß nicht. Normal?
Hübsch? Ja, ich schätze, sie war hübsch.«
Ich war an der falschen
Adresse, was Einzelheiten anging. Jeff war ein guter Tankwart und auch ein
guter Pilot, aber seine Beobachtungsgabe schien sich weitgehend auf Flugzeuge
zu beschränken. Schade, daß die Frau kein eintätowiertes Kennzeichen auf der
Stirn gehabt hatte.
»Was hatte sie an?«
»Jeans? Pullover? Ja, ich
glaube.«
»Und was hat sie gesagt, von
welcher Zeitung sie sei?«
»Sie hat gar nichts gesagt, und
ich hab nicht dran gedacht zu fragen. Aber sie war ganz schön unverfroren, wie
Reporter so sind.«
Sehr hilfreich. Jeder zweite
Mensch, dem ich derzeit begegnete, schien ganz schön unverfroren zu sein.
»Danke, Jeff. Ist Ripinsky
schon gelandet?«
»Nein. Will er denn kommen?«
»Klar doch — Valentinstag.«
»Herrjesses, das hab ich ganz
vergessen. Sie haben mich grade noch mal gerettet! Ich bin Ihnen echt was
schuldig.«
Freitag
abend
Draußen vor den Fenstern des
Palomino-Restaurants im Hills Plaza leuchteten die Lichterbögen der Bay Bridge kalt
und hart vor dem schwarzen Himmel. Das Innere des Barraums war ganz warmes Holz
und Messing, weiches Licht und Behaglichkeit. Kellner schoben sich um den
langen Tisch, der für unsere Runde zusammengestellt worden war, und nahmen
Getränkebestellungen auf. Andere Gäste schauten verstohlen herüber oder
starrten uns ganz offen an. Ricky Savage war ein Star, und wir übrigen schienen
die Leute fast genauso zu interessieren.
Ich lehnte mich gegen Hys Arm,
der auf meiner Stuhllehne ruhte, und neigte den Kopf, um ihn anzuschauen. Es
verblüffte mich immer wieder, daß mein schlaksiger, adlernasiger Liebster im
eleganten Anzug mit Krawatte ebenso zu Hause schien wie in den Jeans und
T-Shirts, die er trug, wenn er an Flugzeugen herumbastelte oder auf
Weitere Kostenlose Bücher