Wenn alle anderen schlafen
meiner Detektei. Oder... ach, es gab viele
Möglichkeiten.
Vielleicht Hy...?
Nein, er war der einzige, den
ich ausschließen konnte. Als ich ihm bei einem letzten Absacker nach unserer
Heimkehr von der Frau erzählt hatte, war er genauso besorgt gewesen wie ich.
Wenn er irgendeine Veranlassung hätte, ihre wütenden Blicke auf sich zu
beziehen, hätte er’s mir gesagt. Hy und ich, wir belogen einander nicht;
Halbwahrheiten und Schweigen waren eher unser Stil, aber auch das kam
inzwischen nur noch selten vor.
Blieb noch jenes eine
potentielle Objekt ihrer Wut, über das ich nicht spekulieren wollte — nicht in
diesen dunklen, stillen Stunden, nicht mal an Hys Seite.
Irgendwo in dieser Stadt — oder
nicht weit weg — war eine Frau, die bohrende Fragen zu meiner Person gestellt,
sich für mich ausgegeben hatte, mit einem Mann ins Bett gestiegen war, der sie
bei meinem Namen nannte. War sie heute abend in der Nähe gewesen? So nah, daß
ich sie hätte sehen können? Hätte ich sie erkannt, oder war sie nur zufällig
auf mich verfallen?
Und was wußte ich über sie?
Nichts, außer daß sie mir ähnlich sah. Sonst hatte ich keinerlei Information,
es sei denn, sie meldete sich noch mal bei Clive Benjamin und er hielt sein Versprechen
und rief mich an. Ich hatte das gesamte Handwerkszeug meines Berufs und einen
ganzen Stab von talentierten Ermittlern zu meiner Verfügung, aber ich war
ohnmächtig, solange diese Frau nicht den nächsten Zug machte.
Und der Himmel mochte wissen,
worin dieser Zug bestehen würde.
Ohnmacht. Das ist ein Zustand,
den ich mehr fürchte als einen Motorausfall mitten in der Nacht über gebirgigem
Terrain. Letzteres würde sehr wahrscheinlich meinen Tod bedeuten, aber ich
würde wenigstens noch versuchen, irgend etwas dagegen zu tun.
Diesmal träume ich von einem
Chamäleon.
Es sitzt an einem kleinen Tisch
in einem warmen, sanft beleuchteten Raum und verwandelt sich immer wieder — von
seiner Echsengestalt in eine Version meiner selbst in eine Frau in einem weiten
Sweatshirt, die sich die Kapuze über honigbraunes Haar zieht und rasche,
wütende Blicke über ihre Schulter wirft.
Dorthin, wo eine zweite Version
meiner selbst sitzt und sich sicher wähnt, inmitten von Menschen, die sie gern
haben.
Sonntag
abend
»Zwo-acht-neun, bitte gehen Sie
auf Anflugkontrolle Oakland, Frequenz 135,4.«
Ich aktivierte das
Sprechfunkmikro der Citabria und bestätigte die Anweisung des
Flugverkehrskontrolldienstes von SFO. Dann wechselte ich mit einem
Erleichterungsseufzer die Frequenz.
Ich war schon oft auf diesem
betriebsamen B-Flughafen gelandet, als Passagier wie als Pilotin, aber immer
nur in Verkehrsmaschinen oder mit Hy. Es war eine hochkonzentrierte, ernste
Sache; man vergeudete kein Wort und keine Sekunde und befolgte die Anweisungen
der Flugverkehrskontrolle prompt und exakt. Wenn ich selbst geflogen war, hatte
ich mich immer, zumindest emotional, darauf verlassen, daß Hy ja da war, der
Exverkehrspilot, der so ziemlich alle Lizenzen, Scheine und
Zusatzqualifikationen besaß, die die zivile Luftfahrt kannte. Diese meine
Abhängigkeit hatte Hy bewogen, mich zu bitten, ihn heute abend nach SFO zu
bringen, wo er die Nachtmaschine nach Miami nehmen wollte, um von dort nach
Buenos Aires weiterzufliegen. Ohne ihn von SFO wieder zu starten, hatte er
erklärt, würde mir zeigen, daß ich diese Situation auch allein bewältigen
konnte.
Und ich hatte sie bewältigt —
und mich bemüht, die Nervosität aus meiner Stimme zu verbannen, da der Lotse
auch zu dieser späten Stunde weder Zeit noch Lust hatte, für mich Kindermädchen
zu spielen. Und jetzt war ich schon fast wieder in Oakland, und ich bedauerte,
daß es nur so ein kurzer Flug war. Es war ein wunderbarer Abend, da das klare
Wetter, das am Freitag eingesetzt hatte, immer noch anhielt. Die Lichter der
Bay Area funkelten mit den Sternen um die Wette. Und verglichen mit dem Anflug
auf SFO war eine Landung in Oakland, um mit Hy zu sprechen, ein Kinderspiel.
Wieder am Boden, sicherte und
verschloß ich die Citabria und machte mich auf den Weg durchs Flughafengebäude
zum Parkplatz. Ich wollte nur in mein Auto, nach Hause und ins Bett. Aber im
letzten Moment steuerte ich doch noch die Hallenauskunft an und fragte die Frau
hinterm Tresen, ob Jeff Riley heute abend Dienst habe. Ja, sagte sie, und
gerade eben habe sie ihn in die Automatencafeteria gehen sehen. Ich begab mich
ebenfalls dorthin und fand den kleinen, bärtigen
Weitere Kostenlose Bücher