Wenn alle anderen schlafen
hiergewesen, aber immer nur in
Anwesenheit mindestens eines von ihnen und meistens als Teil einer Schar von
Essensgästen. Jetzt hing in den Räumen jene dichte Stille, die typisch für
leere Wohnungen ist. Ich schloß die Tür hinter mir, zögerte dann, mich weiter
vorzuwagen. Anderer Leute Wohnungen und Sachen zu durchstöbern gefällt mir an
meiner Arbeit am wenigsten. Es war schon schlimm genug, wenn es um fremde
Menschen ging, aber im Privatleben eines Freundes herumzuschnüffeln... Doch
dann machte ich mir klar, daß diese Art Schnüffelei auch einem Freund das Leben
retten konnte. Ich folgte dem Flur, der ins Wohnzimmer mündete. Es war ein
spektakuläres Apartment, mit hohen Decken und einer Glasfront zu einem Balkon
mit Bayblick. Das Wohnzimmermobiliar entsprach dem Stil des Hauses:
Dreißiger-Jahre-Salonsessel, üppig gepolsterte Ottomanen und diverse
Jugendstilstücke. Zu meiner Linken schwang sich eine Treppe zu einer zweiten
Ebene empor, und dahinter war eine kleine, aber gut ausgestattete Küche
untergebracht. Über den Eßbereich spannte sich ein teppichbelegter
Chromgeländer-Steg, der das vordere und das hintere obere Zimmer verband.
Wenn Ted in dieser Wohnung
irgend etwas aufbewahrte, was mir einen Hinweis auf den Grund seines
merkwürdigen Verhaltens geben konnte, dann sprach alles dafür, daß er es an
einem privaten Ort versteckt hatte. Dennoch unterzog ich Küche und Wohnzimmer
einer gründlichen Inspektion, die mir jedoch nicht mehr an Erkenntnissen
brachte, als daß er und Neal süchtig nach Cookies ‘n Cream -Eis waren,
jede Menge Vitamine nahmen und den National Enquirer abonniert hatten.
Dann ging ich die Treppe hinauf
und in das kleinere der beiden oberen Zimmer, das als eine Kombination aus
Bibliothek und Arbeitszimmer fungierte. Ich sah mich dort sehr genau um, erfuhr
aber lediglich, daß Ted und Neal eine Menge Erstausgaben von Romanen
verschiedenster Schriftsteller besaßen. Der Schreibtisch enthielt Korrespondenz
und Rechnungen, ordentlich abgelegt. Nichts davon verriet mir mehr, als daß sie
beide ihr Kreditkartenkonto jeden Monat pünktlich und vollständig ausglichen.
Ich ging über den Steg zum
Schlafzimmer. Auch hier waren die Möbel zeitgetreue Originalstücke oder
zumindest gute Imitationen. Dieses Zimmer durchsuchte ich eingehender. Ich
prüfte den Inhalt der Nachttische, Kommoden und Wandschränke, wandte mich dann
dem angrenzenden Bad zu. Auch da nichts Ungewöhnliches, schon gar kein Hinweis
auf irgendeine Art von Drogenkonsum; das Stärkste, was das Medizinschränkchen
enthielt, war Aspirin.
Es gibt eine Reihe klassischer
Verstecke, auf die Menschen, die sich für besonders gewieft halten, verfallen,
und die meisten davon sind mir bekannt. Innentaschen von Koffern, Unterseiten
von Schubladen, Toiletten-Spülkästen und Plastikdosen im Kühlschrank zu prüfen,
nach abgelösten Teppichbodenstellen, entfernten und wieder angebrachten
Scheuerleisten zu suchen — das alles kostete Zeit. Als ich fertig war, war es
kurz vor zwei, und die ganze Mühe hatte nichts gebracht. Entmutigt machte ich
mich auf den Rückweg über den Steg.
Plötzlich ein Geräusch von
unten — ein Schlüssel, der sich im Schloß der Wohnungstür drehte. Schritte, die
durch die Diele kamen.
Ich huschte zur Bibliothek
hinüber und schlüpfte hinter die Tür. Wer? Keiner der Wohnungsinhaber. Neal
hatte versprochen, Ted heute zu einem ausgedehnten Lunch auszuführen, damit er
nicht, wie sonst manchmal, überraschend zu Hause auftauchte.
Ich wartete. Von unten jetzt
Stille; der dicke Teppichboden schluckte jedes Schrittgeräusch. Dann raschelte
etwas, vermutlich im Eßbereich. Ich trat hinter der Tür hervor, in der
Hoffnung, den Eindringling erkennen zu können. Zu spät: Die Person, wer immer
sie sein mochte, war bereits wieder durch die Diele verschwunden.
Was hatte der- oder diejenige
hier gewollt?
Eine große, herzförmige
Schachtel stand mitten auf der Glasplatte des Eßzimmertischs. Natürlich,
Valentinstag. Ich hätte zwar weder Ted noch Neal für den
Blumen-und-Pralinen-Typ gehalten, aber man wußte ja nie.
Ich ging nach unten und zum
Tisch. Eine Riesenschachtel, rote Folie mit weißer Papierspitze. Du liebe Güte,
war einer von beiden so ein Süßschnabel?
Neben der Schachtel lag ein
schlichter, weißer Umschlag, ohne Aufschrift. Warum war er nicht an Ted oder
Neal adressiert? Ein Versehen der Verkäuferin, die die Bestellung
entgegengenommen hatte?
Seit wann lieferten
Süßwarenläden
Weitere Kostenlose Bücher