Wenn alle anderen schlafen
ins Haus, wie Blumengeschäfte? Und seit wann hatten sie Schlüssel
zu den betreffenden Wohnungen?
Ich nahm den Umschlag und zog
die Karte heraus. Blockbuchstaben, wahrscheinlich mit dem Lineal gezogen: »Das
könnte deins sein.«
Dein was?
Ich legte die Karte hin und
musterte die Schachtel. Sie war weder plastikumhüllt noch versiegelt. Die
Spitze war stellenweise zerknittert, die Folie am unteren Rand eingerissen. Ich
dachte an verschiedene Beschimpfungsbriefe, die Ricky bekommen hatte — an die
verrückte Aura, die von ihnen ausgegangen war. Genauso war es bei dieser
Schachtel.
Ich nahm kurz entschlossen den
Deckel ab und guckte hinein. »Igitt! Was zum Teufel —«
Eine dunkle, blutige Masse,
obszön auf dem weißen Papierspitzendeckchen. Sie glänzte feucht, roch nach
beginnender Fäulnis. Ich hatte so etwas schon im Supermarkt gesehen.
Ein Rinderherz.
Das könnte deins sein.
Ich starrte es einen Moment
lang an, ging dann zum Telefon.
»Du machst Witze«, sagte Neal.
»Ich wollte, es wäre so. Das
Ding ist ganz schön eklig, und die Botschaft kann einem angst machen. Hältst
du’s für möglich, daß Ted sich einen Scherz erlaubt hat?«
»Wenn ich’s dafür hielte, würde
ich lachen. Außerdem ist das nicht komisch, und Teds Scherze sind’s.«
»Wer hat sonst noch Zutritt zu
eurer Wohnung?«
»Niemand, außer dir.«
»Habt ihr keine Putzfrau? Oder jemanden,
der mal vorbeischaut, wenn ihr weg seid, um die Pflanzen zu gießen oder so?«
»Wir putzen selbst, und du
weißt doch, daß wir keine Pflanzen haben.«
»Und der Hausverwalter?«
»Mona Woods? Nein. Wir haben
beim Einzug die Schlösser auswechseln lassen, und da sie seither nie um einen
Schlüssel gebeten hat, haben wir ihr auch keinen gegeben. Nicht, daß wir ihr
nicht trauen würden, aber wir mögen es nicht, daß in unserer Abwesenheit jemand
in der Wohnung ist; die Büchersammlung ist ziemlich wertvoll, und jemand, der
selbst kein Sammler ist, könnte unsachgemäß mit den Büchern umgehen.«
»Und Ted würde auch niemandem
einen Schlüssel geben?«
»Nein. Das haben wir gleich zu
Anfang abgesprochen.«
»Und der Schlüssel, den du in
deinem Auto hattest?«
»Ich lasse das Auto nie offen.
Und die anderen Schlüssel habe ich immer in der Tasche, wenn ich im Laden bin.
Vielleicht ist jemand im Büro ja an Teds Schlüssel gekommen?«
»Unwahrscheinlich. Ich hab sie
dort nie irgendwo rumliegen sehen.«
»Aber möglich.«
»Möglich ist alles. Was soll
ich jetzt mit dieser widerlichen Gabe machen?«
»Laß es einfach liegen. Ich
werde früher Schluß machen und da sein, wenn Ted kommt. Vielleicht veranlaßt
ihn das Ding ja, mir zu sagen, was Sache ist. Oder zumindest irgendwelche
Andeutungen zu machen.«
Ich hatte erwogen, Schachtel
und Brief in ein Ermittlungslabor zu bringen, mit dem ich zusammenarbeitete,
aber Neals Vorschlag war besser. Eine Analyse würde höchstwahrscheinlich gar
nichts bringen; dank der Flut von Kriminalromanen, — filmen und -fernsehserien
ist der Normalbürger inzwischen in Sachen Spurenvermeidung genauso gewieft wie
ein Durchschnittskrimineller. »Okay, ich laß es liegen. Wenn Ted es nicht
schafft, sich dir anzuvertrauen, dann möchte ich, daß du übers Wochenende
folgendes tust: Schreib ganz genau auf, wie er sich verhält, halte alles fest,
was irgendwie ungewöhnlich oder atypisch ist, die kleinste Kleinigkeit. Ich
komme dann am Montag bei dir im Laden vorbei und hole mir die Liste.«
»Liste? Das Ding dürfte wohl
eher so dick sein wie ein Band der
Encyclopedia Britannica. Seit Wochen ist alles, was er
tut, ungewöhnlich und atypisch.«
»Sie arbeiten aber fix«, sagte
Bea Allen. Sie saß in einem meiner Klientensessel — eine schlanke Frau mit sehr
kurzem braunem Llaar und schmalem Gesicht. Ihre Finger spielten nervös mit der
Mappe auf ihrem Schoß.
Ich reichte ihr das Resümee der
Rechercheergebnisse über ihren Freier — den Bericht, den Mick in seinem
unnachahmlichen Stil verfaßt und den ich anschließend in eine etwas
klientengerechtere Form gebracht hatte.
Bea Allen schlug die Mappe auf
und begann zu lesen. Ich drehte mich diskret zum Fenster und betrachtete den
blauen Himmel und das Sonnengeglitzer auf der Bay. Offenbar wußten die
Wettergötter, daß heute der Tag der Liebenden war, denn sie hatten es San
Francisco gestattet, sich von seiner romantischsten Seite zu präsentieren. Der
Lichtblick, den wir alle — nach dieser langen Serie von Schlechtwettertagen —
zur
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