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Wenn alle anderen schlafen

Wenn alle anderen schlafen

Titel: Wenn alle anderen schlafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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trat, die Waffe schwenkend, in den Raum.
    Leer. Aber mein Bettzeug lag
heruntergefetzt und zerknüllt auf dem Boden.
    Ein Flügel der Wandschranktür
stand einen Spalt offen. Ich nahm die linke Hand von der Waffe, ergriff den
Türknopf und zog. Nichts drinnen, außer meinen Kleidern.
    Die Einbrecherin war weg. Aber
noch nicht lange; der Duft ihres Dark Secrets hing noch in der Luft, als
hätte sie das Zeug im Raum versprüht. Na ja, vielleicht hatte sie’s ja getan.
Das war genausogut wie eine Botschaft auf dem Spiegel.
    Ich sah auf das zerknüllte
Bettzeug, und Wut flammte in mir auf. Ich hatte mich so darauf gefreut, gleich
ins Bett kriechen zu können, und jetzt mußte ich es erst mal neu beziehen.
    Ein Geräusch auf der
Hinterveranda — ein leises Bummern und Scharren.
    Ich nahm die Pistole hoch und
trat in den dunklen Flur. Der Außenscheinwerfer brannte, und durch die
Glasscheibe sah ich meinen orangegetigerten Kater Ralph. Er preßte die Nase an
die Scheibe, und seine gelben Augen flehten um Einlaß.
    »Himmel«, flüsterte ich. Wenn
ich ihn erschossen hätte? Obwohl ich die Erlaubnis zum Tragen einer Waffe
hatte, hätte ich diese Pistole nicht mit mir herumschleppen sollen. Sie hätte
in der verschlossenen, am Boden meines Wäscheschranks festgenieteten
US-Navy-Munitionsbox liegen sollen, wo ich sie normalerweise, zusammen mit
meiner alten .38er, aufbewahrte. Doch seit Freitag abend fühlte ich mich
wohler, wenn ich sie griffbereit hatte.
    Ich öffnete die Tür. Ralphie
schlüpfte herein und schoß schnurstracks zu seinem Freßnapf.
    Und dann dachte ich: Allie — wo
ist Allie?
    Ich steckte den Kopf hinaus und
rief nach meiner gescheckten Katze. Nichts. Aber Allie kam immer prompt, wenn
man sie nach Einbruch der Dunkelheit rief. Weder sie noch ihr Bruder waren
Nachtgeschöpfe.
    Ich lief durchs Haus und rief
ihren Namen. Keine Reaktion. »Verdammtes Miststück! Wenn sie meiner Katze was
getan hat, bringe ich sie um!«
    Dann hörte ich ein Trappeln
über meinem Kopf, gefolgt von einem unirdischen Klagemaunzen, das vom Büroraum
herkam. Ich rannte hin — und begriff, warum der Stuhl verrückt worden war: Oben
im Wandschrank war eine Öffnung zum Kriechboden.
    Diese Frau hatte meine Katze
auf den Kriechboden gesteckt.
    Ich stieg auf den Stuhl, schob
die Abdeckung beiseite und sah ein Paar angstgeweitete Augen auf mich
herabstarren. Ich wollte Allie greifen, aber nicht mit ihr! Sie sprang herunter
und hinterließ einen langen Ratscher auf meinem Unterarm.
    »Verdammtes Miststück!« schrie
ich — und meinte nicht die Katze.
    Ich stieg vom Stuhl und ging
ins Bad, um mich zu waschen und den tiefen Kratzer zu versorgen. Dann ging ich
wieder in die Küche, tätschelte Allie — die hektisch Friskies in sich
hineinknurpste — und goß mir ein Glas Wein aus einer offenen Flasche im
Kühlschrank ein. Ich liebte den Deer Hill, aber ich brachte es nicht über mich,
aus einer Flasche zu trinken, die sie geöffnet hatte.
    Was jetzt? dachte ich. Die
Notrufnummer der Polizei anrufen? Normalerweise hätte ich das ja getan, aber
diese Sache war zu bizarr, verworren und riskant, um sie einfach irgendeinem
Polizeibeamten anzuvertrauen. Jemanden anrufen, den ich kannte — Greg Marcus
vom Rauschgiftdezernat oder Adah Joslyn von der Mordkommission? Nein, um diese
Zeit klingelte man keine Freunde raus. Außerdem wirkte dieser Einbruch in mein
Haus und meine Privatsphäre sorgsam geplant und durchgeführt; sie hatte
bestimmt darauf geachtet, keine Fingerabdrücke oder sonstige Hinweise auf ihre
Identität zu hinterlassen.
    Nur diese stumme Provokation.
    Ich war hier. Ich kann in dein
Haus eindringen. Ich kann dir deine Identität rauben. Und du weißt nicht, wer
ich bin und warum ich das alles tue.
    Ja, du warst hier. Ja, du bist
in mein Haus eingedrungen. Aber meine Identität kannst du mir nicht rauben. Ich
kann rauskriegen, wer du bist. Ich kann rauskriegen, warum du das tust.
    Ich kann dich stoppen.

Montag
     
    »Deine Vermutung war richtig«,
sagte Greg Marcus. »Sie hat wohl tatsächlich keinerlei brauchbare Spuren
hinterlassen.«
    Der Captain des Drogendezernats
war ein kräftiger, graublonder Mann, schwerer als damals, als ich ihn
kennengelernt hatte. Er schien mein kleines Wohnzimmer gänzlich auszufüllen.
Vor Jahren hatten wir ein Liebesverhältnis gehabt — so spannungsgeladen in
jeder Hinsicht, daß es wohl zum Scheitern verurteilt gewesen war. Doch die Zeit
hatte uns beide milder gemacht, und mittlerweile flogen

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