Wenn alle anderen schlafen
zwischen uns kaum noch
je Funken oder Fetzen. Wir hatten zu einer angenehmen Freundschaft gefunden,
gingen alle paar Monate mal zusammen essen. Als ich heute morgen beschlossen
hatte, daß mir doch wohler war, wenn ein Polizist, dem ich vertraute, den
Schauplatz des Einbruchs inspizierte, war es für mich selbstverständlich
gewesen, Greg anzurufen. Und genauso selbstverständlich hatte er sich bereit
erklärt, auf dem Weg ins Präsidium bei mir vorbeizukommen.
»Ich könnte jemanden von der
Spurensicherung herschicken«, setzte er hinzu, »um Fingerabdrücke aufzuspüren.
Aber dann brauchten wir auch Abdrücke von all den Leuten, die normalerweise
hier verkehren.«
»Und selbst wenn ihr einen
unbekannten Abdruck isolieren könntet, müßte er nicht von dieser Frau stammen.
Oder vielleicht sind ihre Fingerabdrücke ja nirgends gespeichert.« Das alles
war mir schon klar gewesen, bevor ich ihn angerufen hatte.
Greg sah mein entmutigtes
Gesicht und legte mir die Hand auf die Schulter. »Soll ich jemanden
losschicken, die Nachbarn abklappern? Fragen, ob jemand irgendwas bemerkt hat?«
»Das habe ich schon getan.
Nichts.«
»Na ja, dann werde ich mal eine
Anzeige aufnehmen, für den Fall, daß sie sich noch irgendwas einfallen läßt.«
»Danke.«
Greg studierte mein Gesicht.
»Du siehst müde aus. Raubt dir diese Sache den Schlaf?«
»Ein bißchen schon.«
»Ist Hy nicht da?«
»Nein, der ist für zwei, drei
Wochen in Südamerika.«
»Vielleicht solltest du nicht
allein hier wohnen. Warum ziehst du nicht für eine Weile zu einer Freundin?«
»Kommt nicht in Frage. Ich
lasse mir von dieser Frau mein Leben nicht noch mehr durcheinanderbringen. Und
außerdem war es ja meine eigene Schuld, daß sie hier reingekommen ist; ich muß
von jetzt an drauf achten, die Alarmanlage einzuschalten.«
Er zögerte und nickte dann.
»Ich zweifle ganz bestimmt nicht dran, daß du selbst in der Lage bist, auf dich
aufzupassen, aber bei Verrückten... Na ja, da weiß man nie. Sie scheint
allerdings eine Verrückte von der kontrollierten Sorte zu sein, also wird sie
vielleicht eine direkte Konfrontation vermeiden. Trägst du eine Waffe?«
»Bis jetzt ja, aber ich bin so
nervös, daß ich nicht weiß, ob das so gut ist.«
»Was für eine Waffe?«
»Eine neue — eine Magnum .357,
Smith & Wesson. Hy hat mich endlich davon überzeugt, daß meine alte .38er
mir in kritischen Situationen wenig nützt.«
»Recht hat er. Die .357 ist
eine prima Waffe. Damit kannst du einen Gegner auf mehr als sechs Meter
aufhalten. Ich bin froh, daß du sie dir zugelegt hast.«
»Na ja, ich hoffe, ich werde
sie nicht brauchen, schon gar nicht in meiner momentanen inneren Verfassung.«
»Trau dir. Du bist eine
hervorragende Schützin, und du hast ein gutes Urteilsvermögen.«
Aus seinem Mund bedeutete das
eine Menge. »Danke für alles, Greg. Ich hab’s bisher nicht über mich gebracht,
irgend jemandem außer Hy von dieser Frau zu erzählen. Es hilft, mit dir drüber
zu reden.«
Er lächelte warm, und die
Fältchen um seine Augen vertieften sich. »Ich hab dir vor langer Zeit mal
gesagt, ich würde immer für dich dasein, und das war ernst gemeint.«
Der Anachronismus-Laden roch nach betagten Bucheinbänden und altersmürbem Papier. Er bestand aus einem
langen, labyrinthartigen Raum voller Regale und geschützter Winkel, wo
stöbernde Kunden in bequemen alten Sesseln versinken und lesen konnten. Um alle
vier Wände zog sich eine schmale Galerie mit weiteren Regalen, zugänglich über
eine breite, abgetretene Treppe an der hinteren Schmalseite. Als ich um kurz
nach zehn kam, fand ich Neal auf seinem Hocker hinter dem hohen,
mahagonigetäfelten Ladentisch, wo er, zufrieden lächelnd, in einem Preiskatalog
blätterte.
Mein Erscheinen brach jedoch
den Zauber; Neal machte ein finsteres Gesicht, griff unter den Ladentisch, zog
ein kleines Spiralnotizbuch hervor und schob es mir hin.
»Kein gutes Wochenende?« fragte
ich.
»Steht alles genau da drin.«
»Willst du’s nicht
rekapitulieren? Du wirkst, als könnte es dir nicht schaden, ein bißchen zu
reden.«
»Da kannst du recht haben.« Er
stieg von seinem Hocker und sagte zu einer jungen Frau, die Bücher in ein
benachbartes Regal einsortierte: »Steffi, könntest du mich ein Weilchen
vertreten?«
»Klar.« Sie nickte und stellte
weiter Bücher ein.
Neal führte mich zu einer
Nische unter der Treppe, wo ein Wägelchen mit einer Kaffeemaschine und ein paar
Bechern stand. Wir bedienten uns
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