Wenn alle anderen schlafen
Sonst schien ihn nichts zu interessieren: Ein
Mann, der in die Parklücke neben ihm gestoßen war, schlug seine Tür beim
Aufmachen gegen den Neon, und Ted wandte nicht mal den Kopf. Eine Frau ließ
ihren Schäferhund an Teds Kotflügel pinkeln, ohne daß Ted das Fenster
herunterkurbelte, um zu protestieren. Wenn er sich nicht ab und zu geregt
hätte, hätte ich schon befürchtet, er sei tot. Schließlich ging ich wieder zum
Van zurück, um mich hineinzusetzen und zu warten.
Es wurde jetzt kalt, und der
Nachthimmel bezog sich. Ich wünschte mir einen Kaffee und ein Sandwich. Und
schon bald begannen mich Bilder zu verfolgen: eine offene Flasche Chardonnay
und ein Glas im warmen Schein meiner Wohnzimmerlampe. Kaltes Neonlicht auf dem
silbrigen Korkenzieher auf dem Hackblock in meiner Küche. Eine leere
Anti-Baby-Pillen-Packung auf dem flauschigen grünen Vorleger in meinem Bad.
Zerknülltes Bettzeug und eine halboffene Schranktür —
Schluß jetzt, McCone!
Ich atmete tief ein und meinte
den Duft von Dark Secrets zu riechen, aber da war niemand außer mir.
Etwa um halb neun begann es zu
regnen. Leichtes Geniesei verwandelte sich in einen Wolkenbruch, der auf das
Dach des Vans drosch. Ich lehnte mich an die Innenseite der Tür und lauschte
dem Geprassel. Ich kann Observierungsaktionen nicht leiden; sie gehören zu den
langweiligsten Aspekten meiner Tätigkeit. Und diese hier gefiel mir schon gar
nicht, weil meine Gedanken immer wieder zu der Frau drifteten, die in mein Haus
eingebrochen war.
War es ihr Hauptziel gewesen,
Chaos anzurichten? Vielleicht, vielleicht auch nicht.
Rekonstruiere ihre Aktionen.
Vielleicht bringt dich das weiter. Okay,
sie beobachtet das Haus, sieht Hy und mich weggehen. Sie knackt das Schloß,
schnell, damit die Nachbarn nichts merken. Das heißt, sie ist so gut im Umgang
mit einem Satz Dietriche wie ich, und ich bin ziemlich gut. Sie inspiziert
Wohnzimmer, Gästezimmer, Arbeitszimmer. Sie macht Feuer, geht in die Küche,
nimmt sich eine Flasche Wein. Sie setzt sich hin und trinkt ein paar Gläser.
Okay, und was denkt sie dabei ?
Daß sie mich besser
kennenlernt. Vielleicht tut sie sogar so, als wäre sie ich. Sitzt gemütlich in
meinem Lehnsessel. Aber dann passiert irgendwas, was sie ausrasten läßt. Was
sie diese Pillen ins Klo schmeißen und mein Bettzeug herunterreißen läßt. Sie
vergreift sich an Dingen, die irgendwie mit Sex zu tun haben.
Ist es das? Nein, was hat es
mit Sex zu tun, daß sie die Katze auf den Kriechboden steckt?
Die Katze...
Wo war Allie am Sonntag abend?
Draußen, genau wie Ralph. Sie wollten nicht reinkommen, als Hy und ich gehen
mußten. Sie spürten, daß irgendwas Ungewöhnliches im Gang war, und waren
beunruhigt, also ließen wir sie schließlich einfach draußen. Aber wie war Allie
dann reingekommen?
Ja, das ist schon ein
plausibleres Szenario: Die Frau geht wieder ins Schlafzimmer. Allie steht vor
der Glastür, will rein. Die Frau geht ganz in ihrem Rollenspiel auf; sie läßt
Allie — ihre Katze — rein und will sie auf den Arm nehmen, mit ihr schmusen.
Aber Allie ist die hochnäsigste
Katze auf Gottes Erdboden. Sie läßt sich von niemandem außer Hy und mir auf den
Arm nehmen und toleriert gerade noch Michelle Curley, das Nachbarskind, das sie
reinläßt und füttert, wenn ich nicht da bin. Schmollt, wenn Besuch kommt, oder
kriegt die Panik, je nachdem, wer es ist. Was also wird sie tun, wenn eine
völlig fremde Person sie anfassen will? Sich wehren. Fauchen. Kratzen.
Und was wird diese fremde Frau tun,
wenn sie so jäh aus ihren Phantasien gerissen wird?
Ausrasten.
Sie fetzt das Bettzeug
herunter, schmeißt die Pillen ins Klo, steckt die Katze auf den Kriechboden.
Und ich kann von Glück sagen, daß sie nicht noch mehr —
Der Motor des Neon sprang plötzlich
an, die Scheinwerfer leuchteten auf. Ich duckte mich, ließ ihn vorbeifahren.
Dann folgte ich ihm.
Eine halbe Stunde später
standen Ted und ich, nur wenige Parklücken voneinander entfernt, an der Van
Ness Avenue, Nähe Pine Street, gegenüber der Far-West-Kampfsportschule. Er
schien den Eingang zu beobachten.
Auch wenn Neal es nicht
glaubte, Ted mußte ihn doch der Untreue verdächtigen.
Ich versuchte mich auf dem
Fahrersitz des Van bequemer zurechtzunesteln. Jenseits der regenschlüpfrigen
sechsspurigen Straße stand ein vierstöckiges Gebäude, wo Good Guys, einer
unserer größten Elektronikmärkte, residierte. Ein aktiver
Schaufensterdekorateur hatte über die gesamte
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