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Wenn alle anderen schlafen

Wenn alle anderen schlafen

Titel: Wenn alle anderen schlafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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südamerikanischen Klienten. Hy kümmert sich drum.«
    »Was für eine Geiselnahme? Wo?«
    »Sie wissen, daß ich Ihnen das
nicht sagen kann.«
    »Und was können Sie mir sagen?«
    »Daß er okay ist und sich bei
Ihnen melden wird, sobald die Sache geregelt ist. Er macht sich vor allem
Sorgen um Sie; er hat in den letzten Tagen mehrere Botschaften auf Ihren
Anrufbeantworter gesprochen, und Sie haben nicht reagiert.«
    »Botschaften? Was für
Botschaften?«
    »Ich weiß nicht, wann und wie
viele, aber jedenfalls so viele, daß es ihn beunruhigt.«
    »Aber ich verstehe nicht — oh!«
    »Sharon?«
    »Nichts.« Diese Frau hatte
offenbar die Fernabhörcodes für meine beiden Anrufbeantworter im Roledex
gefunden. Damit war es ein leichtes, meine Botschaften abzuhören und beliebig
viele zu löschen. Ich zitterte jetzt vor Zorn. »Gage, ich muß mit Hy reden.«
    »Ich kann Ihnen keine Nummer
geben.«
    »Dann sagen Sie ihm, er soll
mich anrufen.«
    »Ich werde ihm sagen, Sie sind
okay.«
    »Das ist nicht fair.«
    »Nicht fair ist das, was dort
unten abläuft. Es ist eine äußerst kritische Situation, und ich werde das
Risiko nicht noch erhöhen, indem ich zulasse, daß Sie Hy mit Ihren Problemen
belasten.«
    »Verdammt, Gage —«
    »Sharon.« Da war etwas Sanftes
in seiner Stimme, was ich noch nie gehört hatte. »Sie sind in gewisser Weise
eine von uns. Sie können sich zusammenreißen, bis die Sache dort unten erledigt
ist.«
    »Ach, ja?«
    »Ja. Ich habe Sie schon viel
schlimmere Situationen durchstehen sehen. Und ich melde mich mit neuen
Nachrichten, sobald ich welche habe.« Nach dieser einen kleinen Konzession an
menschliche Umgangsformen legte Gage auf.
    Ich hielt den Hörer umklammert
und starrte auf einen Riß in der Wand. Versuchte, meine strapazierte Verbindung
zu Hy wieder zu reparieren. Noch war sie da, aber wie lange noch?
    Er befand sich in einer sehr
ernsten Lage — das spürte ich. Spürte auch er, wie ernst meine Lage war? Und
wenn ja, würde es ihn ablenken, ihn dazu treiben, einen Fehler zu machen, der
sich als tödlich erweisen konnte?
    Zum ersten Mal war ich
unglücklich über dieses intuitive Band zwischen uns.
     
     
     

Sonntag
     
    Als ich gegen elf am nächsten
Morgen in die Küche spazierte, lehnte ein Zettel von Neal an der
Kaffeemaschine: »Bin ein paar Tage weg, um über alles nachzudenken. Melde mich,
sobald ich wieder da bin.«
    Ich fragte mich, ob er Ted von
diesem Entschluß in Kenntnis gesetzt hatte. Wahrscheinlich nicht; gestern abend
hatte er gesagt, er könne nicht auch noch Teds Probleme verkraften, also war er
wohl kaum das Risiko eingegangen, eine weitere Szene zu provozieren.
    Die Kaffeemaschine war an, die
Glaskanne voll. Danke, Neal. Ich goß mir einen Becher voll, ging damit ins
Wohnzimmer und fand dort die Sonntagszeitung auf dem Sofa. Nochmals danke.
     
    KRACH BEI BÜRGERVERSAMMLUNG IM
SUNSET-DISTRIKT —
    BÜRGERMEISTER CONTRA
ASIATENSPRECHER
     
    Na, großartig.
     
    VERBRECHEN AUS HASS BUNDESWEIT
    AUF DEM VORMARSCH
     
    Warum überraschte mich das
nicht?
     
    IMMER MEHR KLONHANDYS IN DER
BAY-AREA
     
    Genug jetzt! Ich schmiß den
Nachrichtenteil auf den Fußboden und ging duschen.
    »
    Hey, Shar, wie geht’s?« Craig
Morland klang überaus fröhlich — kein Wunder. Er und Adah Joslyn von der
Mordkommission starteten an diesem Nachmittag zu einem zweiwöchigen
Mexikourlaub, ehe er seinen Job bei mir antrat.
    »Es geht«, sagte ich.
»Reisefertig?«
    »Gestiefelt und gespornt.«
    »Ist Adah da?«
    »Ja, aber sie hat gerade zu tun
— Charley füttern.« Charley war Adahs riesiger, gefräßiger weißer Kater; ich
rechnete damit, daß er eines Tages platzen würde.
    »Das Tier ist völlig
durchgedreht, was?«
    »Seit er die Koffer gesehen
hat, ja. Aber das hindert ihn natürlich nicht, sein Steak zu verputzen.«
    »Steak?«
    »Du sagst es. Hier ist Adah.«
    »Du gibst dem Kater Steak«,
sagte ich vorwurfsvoll.
    »Fang nicht damit an, McCone.
Es ist ein Rest von unserem gestrigen Abendessen.«
    »Und wenn kein Steak
übriggeblieben wäre, würde er Burger kriegen.«
    »Albacore-Thunfisch. Also,
warum rufst du an? Doch sicher nicht nur, um uns eine gute Reise zu wünschen.«
    »Nein, ich wollte dich um einen
Gefallen bitten.«
    »Wenn’s ein kurzer Gefallen
ist. Ich muß dringend in den Süden, zusehen, daß ich ein bißchen braun werde.«
Das war ein Scherz. Adah war halb jüdisch, halb schwarz, mit einer makellosen,
honigbraunen Haut.
    »Weißt du jemanden

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