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Wenn alle anderen schlafen

Wenn alle anderen schlafen

Titel: Wenn alle anderen schlafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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entriegelt — jemand, den der Tumult aufgestört hatte. Ted schob Neal
und mich in die Wohnung und schlug die Tür hinter sich zu.
    »Also«, sagte ich, »was geht
hier vor?«
    Ted wandte sich ab und stapfte
den Gang entlang. Als Neal und ich ihn einholten, war er schon in der Küche und
goß sich Cognac in einen Schwenker. Hinter mir sagte Neal: »Das ist keine
Lösung, Ted.«
    »Halt die Klappe.«
    Ich taxierte die Situation:
Neal war im Bademantel, Ted hingegen vollständig angezogen. Die Cognacflasche
und das Glas hatten auf der Arbeitsplatte gestanden, und im Wohnzimmerfernseher
lief leise ein Schwarzweißfilm. Und auf dem Couchtisch lag eine Pistole.
    Ich sah Neal fragend an. Er
wies mit einer ruckartigen Kopfbewegung auf die Glasfront zur
Bay-Blick-Terrasse. In einer der Glastüren war ein Durchschußloch, umgeben von
spinnennetzartigen Sprüngen.
    Ted stand immer noch mit dem
Rücken zu uns und goß sich abermals Cognac ein. Ich ging ins Wohnzimmer hinüber
und inspizierte die Waffe. Eine .22er RG-14 mit intakter Seriennummer, aber
bestimmt nicht auf Teds Namen registriert. »Ach«, sagte ich, ohne meinen Zorn
und Sarkasmus zu unterdrücken, »was haben wir denn hier? Eine klassische kleine
Wochenendgangster-Knarre. Und wißt ihr was, Jungs? Zufällig haben wir gerade
Wochenende.«
    »Was wir hier haben«, sagte
Neal, »ist ein echtes Problem. Und eine kaputte Scheibe, die uns teuer zu
stehen kommt.«
    Ted schwieg.
    »Was zum Teufel hast du dir
dabei gedacht?« fragte ich ihn. »In deinem Zustand hier mit einer Waffe
rumzufuchteln?«
    Er knurrte etwas
Unverständliches.
    »Was?«
    »Ich sagte, du weißt einen
Scheiß über meinen Zustand. Also halt verdammt noch mal die Klappe und geh!«
    Das reichte. Ich stapfte hin,
nahm die Flasche und stellte sie aus seiner Reichweite. Dann versuchte ich ihm
das Glas zu entwinden. Er wehrte sich, zerrte, und das Glas flog ihm aus der
Hand und zerschellte auf den Fliesen.
    Er schaute auf die Cognacpfütze
und die Glasscherben, dann wieder in mein Gesicht. Als ich seine Augen sah,
wurde mir klar, daß er gar nicht betrunken war: Vermutlich sollte ihm der
Cognac nur helfen, seinen Zorn unter Kontrolle zu halten. Der hatte jetzt das
Stadium der Weißglut erreicht.
    »Worauf hast du geschossen?«
fragte ich.
    »Da war jemand auf dem Balkon.«
    »Wer?«
    »Konnte ich nicht erkennen.«
    Ich ging hinüber und öffnete
den unbeschädigten Türflügel. Ein Liegestuhl war umgekippt, und ein paar
Grillutensilien lagen auf dem Boden verstreut. Ich ging zur Brüstung und sah
auf die Alley hinunter. Niemand da, aber der unterste Teil der Feuerleiter, die
sich neben dem Balkon die Wand entlangzog, war bis auf den Boden hinuntergelassen.
    Ted beobachtete mich, noch
immer zornsiedend. Ich trat wieder ins Zimmer. »Hat derjenige versucht, in eure
Wohnung einzudringen?«
    »Nein, dazu ist er nicht
gekommen.«
    »Du hast mit einer nicht
registrierten Waffe auf ihn gefeuert, obwohl er noch nicht mal einen
Einbruchsversuch unternommen hatte?«
    »Der Kerl war auf unserem
Balkon, Himmelherrgott! Habe ich denn kein Recht, unser Heim zu verteidigen?«
    »Grundsätzlich kann ich dich ja
verstehen. Aber das Gesetz sieht es nun mal anders. Und wenn ich mich nicht
täusche, hast du noch nie mit einer Pistole geschossen — was die Sache extrem
gefährlich macht.«
    »Ich kann gut genug damit
umgehen.«
    »Ach?« Ich zeigte auf die
Glastür. »Das ist das Resultat von Sandy Coughlins Zwanzig-Minuten-Kurs im
verantwortlichen Umgang mit Feuerwaffen?«
    Hinter mir gab Neal einen
eigenartigen Laut von sich. Teds Gesicht erstarrte. Dann fragte er: »Woher
weißt du von Sandy
    Coughlin?«
    Böser Ausrutscher, McCone! »Ich
habe meine Quellen.«
    Aber er hatte es sich schon
zusammengereimt. »Du hast mich beschattet«, sagte er tonlos. Er wandte sich
Neal zu. »Du hast sie auf mich angesetzt, stimmt’s?«
    Neal schwieg, harte Linien der
Hilflosigkeit und Verzweiflung im Gesicht.
    »Gib’s zu, verdammt!«
    »Okay, ja, ich hab’s getan. So,
wie du mir hinterherspioniert hast!«
    Ted wich zurück, als hätte Neal
ihn geschlagen. Er wandte sich ab, stützte sich auf die Arbeitsplatte, ließ den
Kopf hängen. Sein schweres Atmen war in der Stille, die auf Neals Ausbruch
folgte, deutlich zu hören.
    Neal setzte hinzu: »Schon mal
vom Recht auf Privatsphäre gehört?«
    »Schon mal von Scylla und
Charybdis gehört?«
    »Was hat das —«
    »Ich will, daß ihr beide
verschwindet — sofort.«
    »Ted —«, setzte

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