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Wenn alle anderen schlafen

Wenn alle anderen schlafen

Titel: Wenn alle anderen schlafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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Opfer dabei
normalerweise Gefahr — ich meine, über die psychische Belastung hinaus?«
    »Das kann sein. Diese
Verfolgung anderer Menschen ist einfach ein Zwangsverhalten, das in der Regel
durch ein bestimmtes Geschehnis ausgelöst wird. Die Verfolgerin nimmt es so
wahr, daß ihre Beziehung zu dem Opfer schlechter wird — auch wenn in Wahrheit
gar keine Beziehung bestand — , oder sie fühlt sich in irgendeiner Weise
schlecht behandelt. Sie fängt an, zwischen Haß auf das Opfer und tiefer
emotionaler Bindung oder Liebe hin- und herzupendeln, und in dem Maß, wie ihre
Avancen zurückgewiesen werden, eskaliert die Verfolgung, und eventuell kann sie
dann auch gefährliche Formen annehmen.«
    Unsere Sandwichs kamen. Ich sah
auf meins und merkte, daß mir der Appetit vergangen war. Mein Magen war wie ein
Stein und meine Kehle zugeschnürt.
    »Sie sagen, es gibt
psychologische Profile zu diesem Personentyp?«
    »Es gibt Aufstellungen
sogenannter Hochrisiko-Merkmale — bestimmte Verhaltensmuster, die den Verdacht
auf potentielle Verfolgungstendenzen nahelegen. Oberflächlicher Charme,
mangelndes Einfühlungsvermögen, fehlendes soziales Bewußtsein. Menschen, die
andere verfolgen, sind in der Regel geschickt und manipulativ. Können einem
alles aufschwatzen. Wenn man sie zur Rede stellt, behaupten sie, daß an ihrem
Verhalten nichts Unrechtes oder gar Strafwürdiges sei.«
    »Soziopathen also.«
    »Na ja, zum Teil. Diejenigen,
die an Beziehungswahn leiden, leiden manchmal auch an anderen wahnhaften
Störungen — etwa an Schizophrenie. Andere sind einfach nur fanatisch.«
    Und es ließ sich nicht sagen,
zu welcher Sorte diese Frau gehörte. »Sonst noch irgendwelche signifikanten
Merkmale?«
    »Eine extreme Coolness in
Situationen, in denen Sie oder ich durchdrehen würden. Unehrlichkeit — versteht
sich. Mangelnde Gewissenskontrolle. Unfähigkeit, Beziehungen aufrechtzuerhalten.
Diese Menschen wollen unmittelbare Bedürfnisbefriedigung. Ihr Verhalten kann
ins Irrationale oder Zerstörerische Umschlägen. Und sie wollen zwar alles,
machen aber keinen Versuch, langfristiger auf etwas hinzuarbeiten.«
    »Und was genau erhoffen sie
sich von ihren Verfolgungsaktionen?«
    »Die Aufmerksamkeit oder Liebe
des Opfers. In vielen Fällen geht es um Anerkennung.«
    Ich mußte daran denken, was mir
diese Frau vorgestern nacht auf dem Dach zugerufen hatte: Wie bin ich,
McCone? Gut, was ? Hatte sie damit auf eine verdrehte Weise ausgedrückt, daß
sie meine Anerkennung wollte?
    Ich merkte, daß mich Nizibian
mit analytischem Blick musterte. »Ich bin okay, wirklich«, sagte ich. »Ich bin
für so was in vielem besser gerüstet als der Normalbürger.«
    »Ach ja? Ich bin mir nicht
sicher, daß ich damit klarkäme. Es gibt spezielle therapeutisch geleitete
Gruppen, wissen Sie. Ich könnte Ihnen —«
    »Danke, lieber nicht. Ich habe
Probleme mit Gruppen — und mit Therapeuten.«
    »Ach?«
    »Ja.« Ich grinste verlegen. »Ich
war mal bei einer Therapeutin, wegen Problemen mit dem Studium. Und ich... ich
habe sie angelogen, die Situation viel rosiger dargestellt, als sie war. Die
arme Frau konnte gar nicht verstehen, was ich überhaupt von ihr wollte.«
Nizibian lächelte ebenfalls. »Das gibt’s. Manche Menschen kommen besser
zurecht, wenn sie auf ihre eigene Art mit Problemen umgehen.«
    Ich lenkte das Gespräch von
meiner Person weg. »Wie ist denn die rechtliche Situation, wenn einen jemand
verfolgt?«
    »Ich kann Ihnen einen Überblick
über die Gesetzeslage hier in Kalifornien geben. Wir waren nämlich der erste
Staat, der diese Art Belästigung als Straftat anerkannt hat.«
    »Ist es ein schweres Delikt?«
    »Beim ersten Mal kann es als minderschweres
Delikt behandelt werden, aber das steht im Ermessen der Staatsanwaltschaft.
Definiert ist es im Wesentlichen als vorsätzliche, böswillige und wiederholte
Verfolgung oder Belästigung. Dieser Tatbestand braucht keine faktische
Bedrohung des Opfers zu beinhalten, es reicht die implizite Bedrohung, die eine
erhebliche psychische Belastung für das Opfer darstellt. Und das Gesetz schützt
auch die unmittelbaren Angehörigen des Opfers, da die Verfolger oft
Familienmitglieder bedrohen.«
    »Ich habe gehört, daß
gerichtliche Unterlassungsverfügungen solche Verfolger selten von ihrem Tun
abhalten. Nützen denn Haftstrafen etwas?«
    Nizibian lächelte grimmig.
»Tja, urteilen Sie selbst. Es gibt eine gesetzliche Bestimmung, daß die
Justizvollzugsbehörde das Opfer, dessen

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