Wenn alle anderen schlafen
unter
dem Vorwand, Nachforschungen für eine Versicherung anzustellen, bei den anderen
auftauchte, mußte ich feststellen, daß keine auch nur entfernte Ähnlichkeit mit
mir oder meinem blonden Double hatte. Mick arbeitete daran, die Wohnadressen
der drei Frauen mit den Postfachanschriften herauszukriegen, und ich würde
weitere Besuche starten, sobald es meine Zeit erlaubte, war aber nicht
sonderlich optimistisch, was diesen Ansatz betraf. Im Gegenteil, mich beschlich
allmählich der Verdacht, daß ich ein weiteres Mal auf den ausgefuchsten Plan
einer Person hereingefallen war, die genau wußte, wie mein Gehirn arbeitete.
Vergebliche Mühe, aber
wenigstens hatte sie einige Stunden meines Samstagabends ausgefüllt. Die
Ted-Observierung war heute entfallen, da Neal mir gesagt hatte, sie würden zu
Hause bleiben — was ihn nicht gerade zu beglücken schien. Ich hatte auch sonst
nichts vor; all meine Freunde hatten eigene Pläne. Hy hatte nicht angerufen, er
war wie vom argentinischen Urwald verschluckt. Verflixt, noch nicht mal die
Frage, ob ich abgehört wurde oder eine Verrückte in meine Wohnung eindrang,
konnte mich umtreiben: RKI hatte bei mir zu Hause — nicht aber im Piergebäude —
Wanzen aufgespürt und entfernt und auch den Code der Alarmanlage geändert.
Normalerweise bin ich kein
Mensch, der nichts mit sich anzufangen weiß. Ich bin extrovertiert, aber ich
genieße es auch, Zeit für mich zu haben. Ich lese gern, liebe Musik und Filme
und wurstele leidenschaftlich vor mich hin. Ich kann mich tagelang allein
amüsieren. Und ich bin auch gern allein zu Haus, eingehüllt in die Illusion,
daß das der Ort auf Erden ist, wo mir niemand etwas anhaben kann. Aber heute
abend... na ja, ich war nervös und langweilte mich.
Ich sah auf die Uhr an meinem
Videorecorder. Fast Mitternacht, warum war ich dann nicht müde? Ich starrte
aufs Telefon. Warum hatte Hy nicht angerufen? Okay, ich war den größten Teil
des Tages nicht erreichbar gewesen, dank eines leeren Handyakkus, der immer
noch nicht ganz wiederaufgeladen war. Aber warum hatte er keine Botschaft auf
einem meiner Anrufbeantworter hinterlassen? Wenn wir getrennt waren, versuchten
wir immer, sooft wie möglich Kontakt aufzunehmen, und ich konnte nicht
verstehen, warum er nicht sofort zurückgerufen hatte, nachdem er meine
Botschaft erhalten hatte. Wenn er sie erhalten hatte. Es sei denn... Nein, ich
würde ihm nicht hinterherfliegen. Das war eine Routine-Informationsreise, keine
Krisensituation. Es sei denn...
Nein, McCone. Kümmere dich um
die Probleme, die du — vielleicht — lösen kannst.
Ich musterte die herumliegenden
gelben Notizzettel, auf denen ich die Sache mit Ted und mein Problem mit der Hochstaplerin
zu analysieren versucht hatte. Mich überkam ein erdrückendes Gefühl des
Versagens. Mir fehlte die Distanz, ich war in beide Probleme viel zu persönlich
verstrickt. Am Montag würde ich sie einer Kollegin übergeben, der ich vertraute
—
Das Telefon klingelte. Hy,
endlich! Ich riß den Hörer hoch. »Shar?« Neals Stimme, rauh und atemlos.
»Neal? Was ist los?«
»Wir brauchen dich hier. Es gab
eine Schießerei —«
Im Hintergrund sagte Ted etwas
Unverständliches.
»Schießerei? Ist jemand
verletzt?«
»Nein, das nicht. Aber ich —«
Ted sagte: »Verdammt, gib mir
das Telefon!«
Ich fragte: »Habt ihr die
Polizei gerufen?«
»Das war nicht nötig, aber —«
»Gib her!«
Es klang nach einem
Handgemenge, dann wurde aufgelegt.
Keine Polizeiwagen in der Plum
Alley. Keine Gaffer auf dem Bürgersteig. Was immer passiert war, schlimm war es
nicht.
Ich hatte meinen Wagen an der
Montgomery in eine Parklücke gequetscht und rannte den Bürgersteig entlang,
wobei ich fast über einen kurzbeinigen Bassett stolperte, den ein Mann ausführte.
Nachdem ich mit Neals Schlüssel ins Haus gelangt war, nahm ich die Treppe,
statt auf den Lift zu warten. Als ich durch die Feuertür im dritten Stock
stürmte, stieß ich fast mit Ted zusammen. Seine Lippen waren blutleer, und in
seinen Augen glomm Zorn.
»Geh nach Hause, Shar«, sagte
er. »Du hast hier nichts zu suchen. Du gefährdest alles.«
»Was? Was gefährde ich?«
»Neal hatte kein Recht, dich
anzurufen. Geh heim!«
Jetzt kam Neal aus der
Wohnungstür, nicht minder wütend. »Ich hatte alles Recht der Welt, sie zu
rufen, du verflixter Irrer! Lieber Shar als die Cops. Du kannst von Glück
sagen, daß niemand die Polizei gerufen hat.«
Irgendwo auf dem Flur wurde
eine Tür
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