Wenn alle anderen schlafen
vielleicht nicht gern, wenn ich mit einer Fremden über ihre Mieter
rede.«
»Sie hat mir erlaubt, mich hier
umzuhören. Sie können gern bei ihr nachfragen.«
»Ach, ist schon okay. Was ist
das hier, eine Umfrage oder so was?«
»Nein.« Ich reichte ihm meine
Karte. »Meine Mitarbeiter und ich versuchen herauszufinden, wer Neal Osborn
terrorisiert hat.«
»Osborn? Der bärtige Typ aus
Nummer 305?«
»Ganz recht.«
»Den hat jemand terrorisiert?
Wie denn?«
»Vorwiegend Drohbriefe und —
anrufe.«
»Warum?«
»Weil er homosexuell ist.«
Larsen dachte darüber nach.
»Aber wenn das so ist, wird dann der andere Typ — Smalley — nicht auch
bedroht?«
»Die Drohungen richten sich aus
irgendeinem Grund nur gegen Mr. Osborn. Aber glauben Sie mir, sein Partner hat
auch reichlich darunter gelitten.«
»Hm.« Der Gärtner zögerte,
zeigte dann auf eine grüne Eisenbank in der Nähe des Aufzugs. »Kleine
Verschnaufpause. Was wollten Sie mich denn fragen?«
Ich setzte mich neben ihn. Aus
der Nähe roch er nach einer Mischung aus frisch umgegrabener Erde, Regen und
Schweiß. »Ich würde gern ihren persönlichen Eindruck von einigen Mietern hören.
Fangen wir mit Mr. Chu an.«
»Junger chinesischer Typ,
Jogger. Arbeitet bei einer Versicherungsgesellschaft. Ich kann ihn nicht
besonders leiden.«
»Warum nicht?«
»Er hat so was Hochmütiges. So
von oben runter.«
»Inwiefern?«
»Einfach so. Als ob er was
wüßte, was wir alle nicht wissen.«
»Noch was?«
Larsen schüttelte den Kopf.
»Und Doug und Marlene Kerr?«
Eins der Ehepaare.
»Er ist so ein Bankertyp. Sie
ist hübsch und geht gern shoppen. Er schlägt sie.«
»Woher wissen Sie das?«
»Sie hat oftmals ein blaues
Auge und Blutergüsse. Versucht’s mit Make-up und Sonnenbrille zu verdecken,
aber das haut nicht hin. Die Leute sagen, sie hören sie manchmal streiten.«
»Wurde deswegen jemals die
Polizei gerufen?«
»Nicht, daß ich wüßte.«
»Ist Doug Kerr sonst je
gewalttätig geworden?«
»Nein. Nur bei seiner Frau
platzt ihm der Kragen.«
»Noch irgendwas zu den beiden?«
»Na-ah. Sie schotten sich ab,
hüten ihr kleines Familiengeheimnis.«
»Dann wüßte ich gern noch etwas
über Al und Doris Mercado.«
»Sie kann ich gut leiden. Sie
ist auch Gärtnerin, hat mehrere Gärten hier in der Nachbarschaft anlegen
geholfen. Er... er ist okay. Ein Excop. Ist jetzt bei einem Sicherheitsdienst.
Hat jede Menge Schußwaffen. Erst letzten Monat hat er sie mir eine Stunde lang
vorgeführt.«
»Geht er verantwortungsbewußt
damit um?«
»Ja. Hat sie immer unter
Verschluß, aber griffbereit. Weh dem armen Schwein, das auf die Idee kommt, bei
ihm einzubrechen und sich erwischen zu lassen. Mercado mag Menschen nicht.«
»Irgendwelche bestimmten
Menschen?«
»So ziemlich alle — er macht da
keine Unterschiede.«
»Kommt er mit den anderen
Mietern aus?«
Larsen überlegte, dann sagte er
achselzuckend: »Ich glaube schon. Das einzige Mal, daß er mit jemanden
aneinandergeraten ist, war, als er einen Stein nach Karen Coopers Katze
geschmissen hat, weil die bei den Mülltonnen rumstrich. Karen hat’s gesehen und
gedroht, ihn beim Tierschutzverein anzuzeigen. Er hat sich schnell
entschuldigt. Ich schätze, er mag auch keine Tiere.«
Oder keine Lesben — und
Schwulen.
Mona Woods hatte mir einen
Zettel an ihrer Tür hinterlassen: Sie müsse den Termin leider verschieben, da
sie ganz vergessen habe, daß heute der Tag sei, an dem sie im Seniorenzentrum
bei der Essenausgabe helfe. Ich mußte lächeln: Wirklich bemerkenswert, diese
Energie. Wahrscheinlich bediente sie Leute, die etliche Jährchen jünger waren
als sie. Würde ich mit Ende Siebzig auch so sein? Hoffentlich.
Wo ich schon mal im Haus war,
beschloß ich, bei dem Posten vor Teds und Neals Wohnung vorbeizuschauen. Ich
nahm die Treppe zürn dritten Stock. Tony Casella, ein alleinerziehender junger
Vater, den ich auch schon manchmal beschäftigt hatte, war sehr froh, mich zu
sehen: Er war gerade benachrichtigt worden, daß seinem kleinen Sohn in der
Tagesstätte schlecht geworden sei und er ihn abholen solle, aber RKI konnte vor
drei keine Ablösung schicken. Ob er jetzt gleich gehen könne? Klar, sagte ich.
Dann betrat ich mit Hilfe meines Schlüssels die Wohnung.
Ich wußte selbst nicht recht,
was ich dort zu finden hoffte. Ich hatte ja alles schon gründlich inspiziert,
aber das war über eine Woche her. Es konnte nicht schaden, mich einfach noch
mal umzuschauen.
Und genau das
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