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Wenn alle anderen schlafen

Wenn alle anderen schlafen

Titel: Wenn alle anderen schlafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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behandelt, weil wir lesbisch sind.«
    »Im Grund«, sagte Naylor,
»kommen wir alle ziemlich gut miteinander aus, wenn man bedenkt, was für ein
bunt zusammengewürfelter Haufen wir sind. Karen und ich haben Glück gehabt, daß
wir hier eine Wohnung gekriegt haben.«
    Ich hoffte, daß Ted und Neal,
wenn das hier vorbei war, auch wieder so empfinden würden.
     
    »Neal ist ein feiner Kerl«,
erklärte mir George Chu. Er lehnte an der Flurwand vor seiner Wohnung, noch
schwitzend von seiner abendlichen Joggingrunde.
    »Tja, irgend jemand ist nicht
dieser Meinung. Sind Sie sicher, daß Sie nichts mitgekriegt haben? Vielleicht
irgendwelche abfälligen Bemerkungen von jemandem hier im Haus?«
    »Nein, und wenn, hätte ich
demjenigen gesagt, wo er sich seine Bemerkungen hinstecken soll. Jeder, der
einen von den beiden dumm anmacht, kriegt es mit mir zu tun.«
    Chus taffes Auftreten und seine
Beschützerhaltung Ted und Neal gegenüber wirkten aufgesetzt für jemanden, der
eben noch zugegeben hatte, die beiden nur vom Grüßen zu kennen. War das nur
Tarnung? *
     
    Miles Furth war in den
Achtzigern und ging an einem geschnitzten Stock mit einem Messingadlerkopf als
Griff. »Ich habe meine Probleme mit Homosexualität und mit dieser Art zu
leben«, erklärte er, »aber die haben genauso das Recht, so zu sein, wie sie
sind, wie ich das Recht habe, ein alter Knurrhahn zu sein. Wenn ich denjenigen
kriege, der so was mit Mr. Osborn macht — sehen Sie den Stock hier?« Er
schwenkte ihn.
    Ich nickte.
    »Wenn ich den Kerl erwische,
junge Frau, dann landet der Adler — auf seinem Kopf!«
     
    »Jemand aus dem Haus?
Ausgeschlossen«, sagte Norman Katz. »Ich bin schwul, und mir ist noch nie
jemand dumm gekommen.«
    »Wie ich sehe, leben Sie
allein. Vielleicht weiß derjenige ja nichts von Ihrer sexuellen Orientierung.«
    »Na ja, ich hänge kein Schild
an die Tür, mit einer Frau in einem Kreis und einem Strich durch, aber ich
schmuggle meine Freunde auch nicht die Feuerleiter rauf.«
    »Wie lange wohnen Sie schon
hier?«
    »Vier Monate.«
    »Vielleicht ist ja derjenige,
der Neal bedroht, noch nicht dazu gekommen, Sie aufs Korn zu nehmen.«
    »Welch tröstlicher Gedanke.«
    Ich reichte ihm meine Karte.
»Wenn irgend etwas vorfällt, rufen Sie uns an.«
     
    Ich konnte nicht besonders tief
geschlafen haben, denn was mich weckte, war kein Geräusch, sondern vielmehr die
unnatürliche Stille in meinem Haus. Die Gebläseheizung, die ich beim Heimkommen
angestellt hatte, brummte nicht mehr. Der marode Kühlschrank hatte aufgehört zu
ticken. Ich hatte vor dem Zubettgehen die Spülmaschine eingeschaltet, aber sie
rauschte und pulste nicht. Ich stützte mich auf einen Ellbogen hoch und sah auf
den Wecker. Keine rotglühenden Ziffern im Dunkeln.
    Stromausfall oder...?
    Ich setzte mich auf, spreizte
mit zwei Fingern die Minijalousie überm Bett auseinander. Bei den Halls nebenan
brannte Licht. Ich schaute durch die Schlafzimmertür zu dem Fenster, das nach
der anderen Seite zum Curleyschen Haus hinausging; ein kleiner
nebelverschleierter Spot beleuchtete den Fußweg. Die ganze Straße hing am
selben Netz; wenn bei mir der Strom ausfiel, dann auch bei allen anderen.
    Ich fischte nach meinem
Morgenrock und schlüpfte aus dem Bett. Nahm die .357 vom Nachttisch, steckte
sie ein und ging eine Taschenlampe holen. Im Vorbeigehen fiel mir noch ein, die
Hausschlüssel, die ich auf den Küchentisch gelegt hatte, an mich zu nehmen:
Nicht ratsam, das Haus unabgeschlossen zu lassen, wenn ich hinausging.
    Als ich auf die Hinterveranda
trat, war der Nebel so dicht, daß ich kaum über das Geländer hinausschauen
konnte. Das konnte ein Vor- oder Nachteil sein. Ich schloß rasch die Tür, blieb
stehen und lauschte. Nichts regte sich, und alles, was ich hörte, war fernes
Hundegebell. Schließlich tastete ich mich über die Veranda und die Stufen
hinunter. Am Fuß der Treppe duckte ich mich unter die Verandabohlen und huschte
über den unebenen Boden von Pfosten zu Pfosten, wobei ich mir einmal den bloßen
Zeh an dem Stapel Feuerholz stieß, der an der Hauswand lag, und es nur knapp
vermied, mir die Zinken eines Rechens, den ich dort angelehnt hatte, in die
Fußsohle zu rammen. Schließlich erreichte ich die Hausecke, hinter der sich die
Gasuhr und der Elektrokasten befanden.
    Dort verharrte ich, weil ich
spürte, daß jemand in der Nähe war. Diese Frau konnte sich im hinteren Garten
verstecken, aber wahrscheinlicher war, daß sie in dem seitlichen

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