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Wenn alle anderen schlafen

Wenn alle anderen schlafen

Titel: Wenn alle anderen schlafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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drei Uhr nachmittags traf, kam sie
gerade vom Bahnenschwimmen in ihrem Fitneßcenter. Sie musterte mich mit
lebhafter Neugier, als wir uns in ihrem gemütlichen Wohnzimmer niederließen.
    »Sie sind also Teds Chefin«,
sagte sie. »Er redet sehr gut von Ihnen — und sehr oft. Diese Sache mit Neal,
die Sie mir am Telefon geschildert haben, ist ja wirklich schrecklich. Was kann
ich tun?«
    »Zuerst würde ich Sie gern ein
paar Dinge zu diesem Haus fragen. Ich habe mir unten die Briefkästen angesehen.
Es wäre sicher schwierig, dort ohne Schlüssel etwas reinzustecken. Hat außer
Ihnen noch jemand Zweitschlüssel?«
    »Nicht, daß ich wüßte.«
    »Und Zweitschlüssel zu den
Wohnungen?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Dann ein paar Fragen zu den
Mietern. Ted sagt, einer könnte ebenfalls schwul sein.«
    »Tja, da ist ein lesbisches
Paar. Aber Ted und Neal sind das erste offen schwule Paar, das in den sechs
Jahren, die ich jetzt die Hausverwaltung mache, hier eingezogen ist. Die
restlichen Mieter sind drei alleinstehende Männer, zwei alleinstehende Frauen,
drei Ehepaare. Ich weiß nicht viel Persönliches über sie.«
    »Hat irgend jemand von ihnen
schon mal homosexuellenfeindliche Tendenzen gezeigt?«
    Mrs. Woods schürzte
nachdenklich die Lippen. »Na ja, solche Vorurteile gibt man ja nicht jedem
gegenüber zu. Nicht in dieser Stadt. Hier sind ja die Leute oft nicht, was sie
zu sein scheinen.«
    Und das galt nicht nur in
Sachen sexuelle Präferenz.
    »Würden Sie mir und meinen
Mitarbeitern erlauben, die Mieter zu befragen? Falls einer von ihnen Neal
bedroht hat, könnte unsere Anwesenheit einen gewissen Druck auf ihn ausüben.«
    »Sicher doch. Aber ob die Leute
mit Ihnen reden, ist natürlich ihre Sache.« Sie gab mir die Mieterliste,
brachte mich zur Tür und zögerte dann noch einen Moment. Ihr Gesicht war
grimmig. »Wissen Sie, wir hier in San Francisco bilden uns eine Menge drauf
ein, besonders tolerant zu sein. Aber in Wirklichkeit stimmt das gar nicht.«
    Recht hatte sie. Man braucht
nur einmal durch die Stadt zu fahren, um Dutzende von Gruppen zu bemerken, die
ihr eigenes Süppchen kochen. Die Schwulen in der Castro, die Chinesen und
Russen in der Richmond, die Reichen in Pacific Heights, die Schwarzen von
Hunters Point, die Katholiken in ihren verschiedenen Diözesen, die Vietnamesen
in der Tenderloin. Und dann sind da noch die Obdachlosen, die Baulöwen, die
Sekten, ja, selbst die Radfahrer. Natürlich ist gegen einen gesunden Egoismus
nichts einzuwenden, dadurch schaffen wir für uns selbst und unsere Kinder eine
bessere Welt. Aber wenn dieser Egoismus die Rechte anderer beschneidet, dann
beginnt das Gebäude der Gesellschaft zu bröckeln.
    Eine meiner größten Ängste ist,
daß es bereits bröckelt, hier und jetzt.
     
    Solch heitere Gedanken im Kopf,
traf ich mich um fünf mit meinen Mitarbeitern im Konferenzraum, wo wir die
Mieterliste unter uns aufteilten. Ich würde das Lesbenpaar und die
alleinstehenden Männer übernehmen, Rae die alleinstehenden Frauen und eins der
Ehepaare, und Mick, der noch wenig Befragungsroutine hatte, zusammen mit
Charlotte die verbleibenden Ehepaare. Wenn alles glattlief, würde die
Befragungsaktion morgen um diese Zeit abgeschlossen sein. In der Zwischenzeit
würde ich RKI bitten, einen Sicherheitsposten zur Bewachung von Teds Wohnung
abzustellen. Als die anderen ihrer Wege gingen, blieb ich noch ein Weilchen in
der hereinbrechenden Dämmerung am Tisch sitzen. Die Düsternis deprimierte mich
nicht, sondern wirkte vielmehr geradezu berauschend, und als es endgültig
dunkel war, spürte ich eine Erregung, die schon fast sexueller Art war. Mit
etwas Glück würde ich schon bald frei sein, die Stadt nach dieser Frau zu
durchkämmen, die mir Stück für Stück meine Identität stahl.
    Bald würde ich frei sein, mir
mein Leben zurückzuerobern.
     
     
     

Dienstag abend
     
    »Neal und Ted?« sagte Karen
Cooper. »Das sind nette Jungs. Wir haben nicht so viel miteinander zu tun, aber
sie helfen uns ab und zu — mit Sachen wie Katzefüttern und Blumengießen, wenn
wir im Urlaub sind.«
    »Die Leute hier im Haus lassen
sich ziemlich in Ruhe«, sagte ihre Freundin Jane Naylor, »aber sie sind alle
nett. Ich kann mir nicht vorstellen, daß jemand von den Mietern Neal auf diese
Art bedroht.«
    »Halten Sie irgend jemanden
hier im Haus für homosexuellenfeindlich?«
    Die beiden Frauen sahen sich an
und zuckten dann die Achseln. Cooper sagte: »Uns hat noch niemand irgendwie
anders

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