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Wenn alle anderen schlafen

Wenn alle anderen schlafen

Titel: Wenn alle anderen schlafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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tat ich, als ich
im Wohnzimmer stand. Die Wohnung war sauber und ordentlich, die Glastür, die
Ted zerschossen hatte, mit frisch riechendem Sperrholz kaschiert. Ein Stapel
Post, an Neal adressiert, lag auf der Arbeitsplatte in der Küche.
    Neal. Weder er noch sein Wagen
waren irgendwo gesichtet worden, nicht in der Stadt und auch in keinem der
angrenzenden Polizeibezirke. Ted war mit der Zeit immer stiller und
verschlossener geworden — an der Schwelle zur Panik, dachte ich. Und ich mußte
zugeben, auch ich war ernstlich besorgt.
    Ein Schlüsselgeräusch im Schloß
der Wohnungstür. Interessant, so kurz nachdem der Posten verschwunden war. Ich
zog mich in die Küche zurück. Vielleicht hatte ich ja Glück. Vielleicht war es
ja der Täter, der ein weiteres groteskes Geschenk hinterlassen wollte.
    Schritte kamen den Gang
entlang. Ich zog die Waffe aus meiner Umhängetasche und hielt sie im Anschlag.
    Es war Neal, er hatte eine
kleine Reisetasche in der Hand.
    »Gott sei Dank!« rief ich aus.
    Er fuhr herum, sah zuerst nur
die Pistole und erstarrte. Dann atmete er erleichtert aus. »Shar! Um Himmels
willen!«
    »Bist du okay?«
    »Klar, wieso nicht? Was machst
du denn hier? Ist Ted okay?«
    »Ted geht’s gut. Wo warst du?«
    »In einer kleinen Pension, ein
Stück die Küste rauf. Was geht hier
    vor?«
    »Wir haben uns solche Sorgen
gemacht, und die Polizei fahndet nach dir, aber —«
    »Nach mir? Warum?«
    »Das ist eine lange Geschichte
—«
    »Erzähl’s mir trotzdem. Ich muß
wissen, was los ist.«
    »Okay, setz dich, dann erzähl
ich’s dir.«
     
    »Ich glaub’s nicht. Ich kann’s
einfach nicht glauben.« Neal stand auf und begann, im Zimmer auf- und
abzutigern. »Er hat mir das alles verheimlicht? Und dir auch?«
    »Du mußt ihn verstehen — zuerst
wollte er dich nicht belasten, und dann hatte er das Gefühl, sich schon zu tief
reingeritten zu haben.«
    »Was sagt das über unsere
Beziehung? Hat er wirklich geglaubt, ich würde alles hinschmeißen, nur weil er
mal einen Fehler gemacht hat?«
    »Neal, Ted ist es nicht
gewöhnt, Fehler zu machen. Er macht praktisch alles, was er anfaßt, perfekt.
Ich schätze, er war sauer auf sich selbst, weil er mit der Sache nicht fertig
geworden ist, und hat seine eigenen Gefühle auf dich projiziert.«
    »Tja, Ted und ich, wir haben
wohl einiges zu reden.«
    »Und ich sorge wohl besser
dafür, daß die Fahndung nach dir eingestellt wird.« Ich stand auf, um zum Telefon
zu gehen. »Möchte wissen, warum niemand deinen Wagen dort an der Küste gesehen
hat.«
    »Weil er seit Samstag drüben an
der Greenwich steht. Wie du dich vielleicht erinnerst, sind wir an dem Abend
mit deinem MG von hier losgefahren. Mit meinem Vergaser war irgendwas nicht in
Ordnung, und ich wollte es nicht riskieren, den Wagen zu nehmen, bevor nicht
der Pannendienst danach geguckt hatte. Am Sonntag war mir das dann zuviel
Aufwand, also habe ich von dir aus ein Taxi genommen und mich zu einer
Mietwagenagentur bringen lassen. Dann habe ich mir auf dem Weg nach Norden in
einem Wal-Mart diese Tasche hier und die nötigsten Dinge gekauft.«
    Und der einzige Ort, wo die
Polizei nicht nach dem Wagen eines Vermißten suchen würde, war natürlich dessen
unmittelbare Nachbarschaft.
    Als ich das Gespräch mit der
Polizei beendet hatte, blätterte Neal gerade den Poststapel auf der
Arbeitsplatte durch. »Rechnungen«, murmelte er, »und im Laden sind sicher noch
mehr.«
    »So schlimm?«
    »Es ist ganz schön eng, aber
ich werd’s überstehen.« Er legte die Briefe wieder hin und sah auf die
holzverschalte Tür. »Wenigstens ist das provisorisch gemacht worden. Ich habe
von der Küste aus einen Glaser angerufen, von dem ich weiß, daß er billig ist,
aber der kann erst morgen kommen. Shar, wegen dieses Kerls, der mich bedroht —
was passiert da jetzt?«
    »Wir ermitteln weiter.«
    »Und solange?«
    »Sei doppelt vorsichtig, wenn
du außer Haus bist. Solange du hier bist, steht ein RKI-Posten vor deiner Tür.
Der nächste kommt um fünfzehn Uhr.«
    »Ist es okay, wenn ich den
Pannendienst anrufe, wegen meines Wagens?«
    »Klar. Ich glaube nicht, daß
der Kerl am hellichten Tag etwas unternimmt. Er will ja nicht erwischt werden.
Paß einfach nur auf.«
    »Das werd ich. Ich gedenke,
mich noch eine ganze Weile meines Lebens zu erfreuen.«
     
    Nachdem ich mir noch rasch
einen Burger geholt hatte, fuhr ich zum Piergebäude zurück und ging direkt in
Teds Büro. »Neal ist wieder da«, verkündete ich. »Ich habe

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