Wenn alle anderen schlafen
Durchgang
zwischen Haus und Zaun lauerte. Der hing voller Nebel; alles, was ich erkennen
konnte, war der diffuse Schein des Curleyschen Spotscheinwerfers. Wenn ich mich
um die Ecke zu dem Elektrokasten vorwagte, begab ich mich in Gefahr.
Dann scheuch sie auf.
Ich sah auf den Zaun, hinter
dem die Curleyschen Schäferhunde in ihrem Zwinger schliefen. Tastete mich zu
der Stelle der Hauswand zurück, wo ich ein Sortiment Tonblumentöpfe
aufbewahrte. Ich lokalisierte einen mittelgroßen, nahm ihn mit zur Hausecke und
hievte ihn über den Zaun.
Krach! Und die Hölle brach los.
Wildes Knurren und Bellen, da die Schäferhunde augenblicklich auf der Matte
standen, um ihr Revier zu verteidigen. Binnen fünfzehn Sekunden ging ein
Fenster auf, und Will Curley, ein Lastwagenfahrer, der früh rausmußte und an
seinem Nachtschlaf hing, brüllte: »Maul halten, ihr Kläffer!« Die Hunde tobten
weiter, aber trotz des Radaus hörte ich schnelle Schritte seitlich des Hauses
entschwinden.
Ich war sofort um die Ecke und
hinter ihr her. Ich konnte sie nicht sehen, aber rennen hören. Das vereinte
Geräusch unserer Schritte ließ jetzt noch weitere Nachbarshunde losbellen. Im
Haus gegenüber flammte Licht auf. Dann verstummte ihr Schrittgeräusch, und
irgendwo weiter vorn knallte eine Wagentür zu.
Ich blieb stehen, wartete, daß
der Motor ansprang. Nichts. Mein Nachbar war jetzt auf seiner Vorderveranda.
Ich rief leise hinüber: »Schon okay.«
»Sicher?«
»Ja.« Ich musterte die Reihen
der parkenden Wagen. In einem von ihnen —
Plötzlich röhrte ein Motor auf,
und ein Wagen am Church-Street-Ende des Blocks schoß aus seiner Parklücke und
um die Ecke. Dunkle Farbe, vielleicht ein japanisches Fabrikat, keine Nummernschildbeleuchtung.
»Verdammt!« rief ich aus. Ich
sah, daß mein Nachbar beunruhigt herüberguckte. »Nur ein Herumtreiber«,
erklärte ich. »Er kommt nicht wieder.«
Er nickte, als glaube er mir
nur halb, und ging wieder ins Haus. Ich ging zwischen Haus und Zaun zurück,
nahm meine Taschenlampe heraus und beleuchtete den Elektrokasten. Die Abdeckung
war abgenommen und lehnte an der Grundmauer. Der Hauptschalter stand auf Aus.
Ich stellte ihn wieder auf Ein,
beschloß, das Wiederanbringen der Abdeckung auf morgen zu vertagen, und ging
ins Haus. Die Heizung lief wieder; der Kühlschrank tickte, die Spülmaschine
pulste und rauschte. Im Schlafzimmer zeigten die rotblinkenden Ziffern des
Digitalweckers 00:17.
Sie war so nah gewesen, während
ich geschlafen hatte, nur wenige Meter von mir entfernt, und jetzt war sie
wieder verschwunden, nachdem sie ihre nächtliche Mission erfüllt hatte.
Wahrscheinlich würde sie nach Hause fahren und tief und fest schlafen, während
ich kein Auge zutun würde, bis mich gegen Morgen die Erschöpfung übermannte.
Ich ging ins Wohnzimmer und
kuschelte mich aufs Sofa, betrachtete die ersterbende Glut des Feuers, das ich
am Abend gemacht hatte. Kurz nach Mitternacht, fast fünf Uhr morgens in
Südamerika. Wo war Hy, und was tat er? Dachte er an mich?
Die Verbindung zwischen uns war
weg: Kurzschluß aufgrund unserer jeweiligen Krisensituation. Ich hatte mich
schon oft im Leben allein gefühlt, aber noch nie so allein.
Mittwoch
Charlotte und Mick hatten zwei
der verheirateten männlichen Hausbewohner für etwas suspekt befunden, und ich
setzte noch George Chus Namen auf die Liste. Dann bat ich meinen Neffen,
Background-Checks für alle drei durchzuführen. Nachdem ich etwas Routinepost
erledigt hatte, rief ich Mona Woods an, um sie um ein weiteres Gespräch zu
bitten, und fuhr dann zum Tel Hill, um weiterzusondieren.
Im glasüberdachten Innenhof des
Apartmenthauses stieß ich auf einen Mann, der sich um die Zierpflanzen
kümmerte. Trotz des Regens, der Kälte und des böigen Winds arbeitete er mit
bloßem Oberkörper und schwitzte sichtlich. Ich stellte mich vor und fragte, ob
er der Gärtner sei.
»Ja, Miss.« Er richtete sich
auf und streckte mir eine dreckverkrustete Hand hin, besann sich dann aber
eines besseren. »Bud Larsen. Ich betreue drei Häuser auf dieser Hügelseite.«
»Wie lange arbeiten Sie schon
hier?«
»Bald zehn Jahre. Tolles altes
Haus, was?«
»Allerdings. Dann kennen Sie
wohl die Leute, die hier wohnen, ziemlich gut?«
»Manche.«
»Ich würde Ihnen gern ein paar
Fragen stellen, wenn Sie nichts dagegen haben.«
Larsen zog die weißen Brauen zu
einem geraden Strich zusammen. »Ich weiß nicht. Mrs. Woods, die Verwalterin,
sieht’s
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