Wenn auch nur fuer einen Tag
Mist baute und für Skandale in den Medien sorgte. Niemand, der sich ständig in den Vordergrund drängte, indem er gegen alles und jeden rebellierte. Endlich herrschte Ruhe und wir waren eine glückliche, harmonische Familie. Endlich stand ich mal im Mittelpunkt.«
Meine Knie werden weich. Ich kann einfach nicht fassen, was mein Bruder da sagt. »Scheiße, Fabio, hörst du dich überhaupt selbst reden?«
»Halt endlich deinen Mund!« Fabio versetzt mir einen Schlag gegen die Brust, sodass ich rückwärtstaumle. »Die Nachricht von Albertis Tod hat mich alles andere als begeistert. Deshalb bin ich nach Hamburg geflogen und habe dir diesen ersten Brief geschrieben. Ich hoffte, du würdest dadurch Schiss kriegen und davon ausgehen, du hättest noch immer Feinde in Rom. Die Angst sollte dich davon abhalten zurückzukehren. Aber klar, du kennst keine Furcht. Du denkst, du bist ein Überflieger und kannst dich immer und überall durchmogeln. Gut, dass ich die Kleine hier abfangen konnte. Ich wusste, spätestens mit ihr würde ich dich kleinkriegen.«
»Verdammt, Mann, was hast du eigentlich für ein Problem?« Ich merke, wie sich meine Fassungslosigkeit in Wut verwandelt. Wut darüber, dass er das alles vor Jana ausplaudert, aber auch darüber, wie er über mich und unsere Familie redet. Dabei war er es doch, der von jeher für seinen Fleiß und sein Verantwortungsbewusstsein gelobt wurde, während ich immer nur als aufmüpfiger Rebell beschimpft wurde, dem der Ernst des Lebens am Arsch vorbeiging.
»Du machst dir doch bloß was vor, so wie immer!«, schreie ich Fabio an. »Ich weiß von Mamas Affäre mit diesem Bildhauer und du wahrscheinlich genauso. Du willst einfach nicht begreifen, dass unsere Familie kaputt ist, dass schon längst nichts mehr stimmt, dass alle nur so tun, als ob. Ich war der Einzige, der dir deine Scheinwelt versaut hat, indem ich es ausgesprochen habe. Du hast Angst vor der Wahrheit, deshalb willst du mich loshaben, das ist der eigentliche Grund dafür, dass du hier jetzt durchdrehst wie ein Irrer und –«
»Lukas, was … was soll das alles heißen?« Jana packt mich am Arm. Die Verzweiflung steht ihr ins Gesicht geschrieben. »Was redest du da? Ich verstehe rein gar nichts. Rom, deine Familie. Ich dachte, du wärst –«
Fabio lacht höhnisch. »Siehst du, Matteo, dieses unangenehme Gespräch wäre dir und deiner armen Freundin erspart geblieben, hättest du meinen ersten Brief ernst genommen. Aber jetzt, wo wir schon mal bei der Wahrheit sind, die dir ja so sehr am Herzen liegt … Erzähl der Kleinen doch, was du früher angestellt hast. Dass du deine Familie in Rom verrückt gemacht hast mit deinen illegalen Touren und ständigen Problemen. Dass du unsere Mutter fast in die Klapse gebracht, unseren Vater und seine Arbeit verspottet und mich, deinen eigenen Bruder, immer nur müde belächelt hast. Dass du trotz allem immer und immer wieder eine neue Chance bekommen hast und der Liebling aller geblieben bist, während ich Idiot den Mund gehalten und brav erledigt habe, was von mir verlangt wurde! Weil ich unseren Eltern nicht noch zusätzlichen Kummer bereiten wollte!«
Fabios Anschuldigungen schüren meine Wut und steigern sie ins Unermessliche. Am liebsten würde ich mich auf ihn stürzen und ihm die Scheiße aus seinem verstopften Hirn prügeln, aber ich weiß, ich darf jetzt nicht auch ausflippen, sonst eskaliert die Situation. Die Verbitterung in Fabios Worten schockiert mich und allmählich checke ich, dass er Jana nicht umsonst hierher verschleppt hat. Wer weiß, wozu er noch fähig ist. Ich darf ihn auf keinen Fall noch mehr reizen.
»Fabio, komm, jetzt reißen wir uns mal beide zusammen, es wird doch sicher eine Lösung für das Problem geben!« Ich versuche, versöhnlich und kompromissbereit zu klingen, aber Fabios Gesicht bleibt versteinert, und an seinem abweisenden Blick erkenne ich, dass ihn meine Bemühungen null jucken. Er hat einen Plan und er wird ihn durchziehen. Er bringt alles zu Ende, was er sich vorgenommen hat – darin ist er top. »Bitte, Fabio, lass uns später in Ruhe über alles reden«, versuche ich es dennoch weiter. »Nicht hier, nicht vor Jana! Sie hat nichts mit uns und unserer Vergangenheit zu tun. Also, lass sie gehen, dann –«
»Matteo, hör auf mit deinen scheiß Ausflüchten!«, schreit Fabio. »Ich habe diese ewigen Lügen und Ausreden satt. Sie ekeln mich an. Du ekelst mich an!« Seine Augen quellen ihm beinahe aus dem Gesicht, als er mir
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