Wenn auch nur fuer einen Tag
ergeben die Worte einen komplett anderen Sinn.
Merda, wie konnte ich nur so blöd sein! Der Brief stammt nicht aus der Ecke, in der ich die ganze Zeit gestöbert habe. Was hat Beck heute erst gesagt? Der Ärger liegt oft ganz nahe.
Wenn du Jana nicht in Ruhe lässt, bringe ich dich um!
Das war Noahs letzte SMS an mich. Ich merke, wie Wut in mir hochsteigt und mein Blut zum Kochen bringt.
»Dieser Scheißkerl, dieser verfluchte Wichser!«
In ein paar Stunden werde ich in den Flieger nach Rom steigen. Aber nicht, ohne diesem Arschloch von Noah vorher einen letzten Besuch abgestattet und auf seiner aalglatten Visage einen hübschen Abdruck meiner Faust hinterlassen zu haben!
Jana
Mein Hals schmerzt und mein Körper fühlt sich taub an, als ich es endlich schaffe, meine Augen zu öffnen.
Ich brauche ein paar Sekunden, bis mir bewusst wird, dass ich auf hartem Steinboden und mit dem Rücken gegen eine Wand gelehnt sitze. Ich versuche, meinen Kopf zu heben. Mein Nacken ist steif und knirscht unangenehm. Um mich herum ist es dämmrig und alles, was ich erkenne, ist grauer Beton. Ein riesiger, kahler Raum liegt vor mir. Es gibt keine richtigen Fenster, bloß ein paar verdreckte Lichtschächte, durch die fahles Licht dringt. Ich friere. Mit jeder Sekunde, die ich wacher werde, wächst auch die Angst in mir. Wo bin ich? Was ist bloß passiert?
» Ciao , Jana. Tut mir leid, dass ich dich kurz ausknocken musste. Ich hatte keine andere Wahl. Es war nur Chloroform, nichts weiter.«
Ich zucke zusammen und starre dann wie hypnotisiert auf die Person, die plötzlich lautlos neben mir aufgetaucht ist. Erst bei dem Anblick des Typen kehrt meine Erinnerung zurück. Klar, ich wollte zu Lukas und dann … tauchte dieser Kerl plötzlich vor mir auf. Der, der mich kürzlich schon vor dem Wohnheim angequatscht hat.
»Bitte …« Mein Rachen brennt und meine Stimme ist nichts als ein leises Krächzen. »Bitte, tu mir nichts.«
Der Fremde schüttelt lächelnd den Kopf. »Nein, keine Sorge, das habe ich nicht vor, Jana. Du bist nur Mittel zum Zweck. Matteo, oder besser gesagt Lukas, soll seinen Hintern hierherbewegen, das ist alles.« Er reicht mir eine bereits geöffnete Plastikflasche mit Wasser. »Hier, trink.«
Ich nehme sie zögernd. »Woher … weißt du, wie ich heiße?«
Er zuckt mit den Schultern. »Ist nicht wichtig. Ich weiß es eben. Und ich weiß, dass Lukas dich liebt, das ist der springende Punkt. Darauf kannst du dir übrigens echt etwas einbilden. Er hat noch nie irgendjemanden geliebt. Dadurch war er auch nie angreifbar. Aber jetzt, mit dir, sieht das anders aus. Ich muss dir dankbar sein. Ohne dich hätte ich nicht gewusst, wie ich ihn … wie soll ich sagen … erpressen klingt irgendwie zu fies. Sagen wir … hätte überzeugen sollen, auf sein früheres Leben zu verzichten.«
Zitternd nehme ich einen vorsichtigen Schluck Wasser, ohne den Typen aus den Augen zu lassen. Ich weiß zwar nicht, was er da Wirres von sich gibt, aber er spricht zu mir wie ein alter Bekannter. Nett, ruhig, lächelnd. Das verunsichert mich nur noch mehr.
»Wo sind wir hier?«
»In einer alten Lagerhalle am Stadtrand. Lukas hat doch jetzt ein Auto, stimmt’s? Er wird uns schon finden.«
»Was –«
»Was ich von ihm will?«, schneidet mir der Fremde das Wort ab. »Ganz einfach. Ich will, dass dein Freund hierbleibt. Das ist alles. Hier in Hamburg, meinetwegen auch sonst wo, Hauptsache, er bleibt weg aus meinem Leben. Er soll mir nie wieder in die Quere kommen! Und wenn er es tut … Dann, Jana, aber nur dann, müsste ich mir überlegen, was ich mit dir anstelle.«
Plötzlich hat der freundliche Klang seiner Stimme eine bittere Färbung angenommen.
Ich schlucke, ermahne mich, ruhig zu bleiben. Aber nicht zu wissen, wer der Typ ist, dem ich ausgeliefert bin, und was er vorhat, schürt die Panik in mir immer mehr.
Er fixiert mich aufmerksam. Seine dunklen Augen tasten jeden Zentimeter meines Körpers ab. »Du bist wirklich anders als alle, die er vorher hatte«, bemerkt er schließlich. »Mit einem Mädchen wie dir hätte ich im Leben nicht gerechnet. Erstaunlich.« Er zieht die Augenbrauen hoch. »Und du? Was findest du an ihm? War es sein unübertrefflicher Charme, der dich überzeugt hat? Oder sein gewinnendes Lächeln? Dem können die wenigsten Mädchen widerstehen.«
»Ich … weiß nicht.« Ich habe einfach nur Angst. Angst davor, etwas Falsches zu sagen, aber genauso Angst davor, den Typen zu reizen, wenn ich schweige.
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