Wenn auch nur fuer einen Tag
ist.
»Tja, äh, weißt du …«, setze ich an und suche verzweifelt nach einem guten Grund, nicht zu mir, sondern zu ihr nach Hause zu gehen. Tamara sieht mich noch immer erwartungsvoll mit ihrem Schlafzimmerblick an. »Bei mir zu Hause herrscht leider das absolute Chaos«, stammele ich. »Ich bin noch dabei, meine Kisten auszuräumen, echt blöd. Vielleicht könnten wir ja zu dir gehen.«
»Hm, so ein Mist, ich wohne im Moment wieder in der Villa meiner Eltern, mein Loft wird nämlich renoviert.« Sie rollt bedauernd mit den Augen. »Die Raumausstatter brauchen ewig und meine Eltern sind super spießig, wenn ich Männer mit nach Hause bringe, also …«
»Hi, ich bin Noah«, unterbricht sie da eine Stimme und neben mir taucht der Typ im Lacoste-Shirt auf. »Und du musst Lukas sein, der Typ mit dem Bodyguard-Onkel. Tamara hat uns schon viel von dir erzählt.«
Ich ergreife Noahs ausgestreckte Hand und schüttle sie, gar nicht mal so undankbar dafür, dass sich durch seine Unterbrechung das Thema Abendplanung mit Tamara fürs Erste erledigt hat. Hinter Noah, so als wolle sie sich am liebsten verstecken, steht die kleine Blondine mit dem Pferdeschwanz. Sie sieht nicht gerade glücklich aus, als Noah sie bei der Hand nimmt und vor sich zieht. »Das ist Jana«, stellt er sie vor. »Manchmal auch Piranha.« Er zwinkert vielsagend und das Mädchen lächelt etwas gequält. Dann strafft sie ihre Schultern, hebt das Kinn an, als wollte sie sich dadurch größer machen, und lässt ihren Blick von einem zum anderen wandern. Als er mich trifft, durchfährt mich abermals dieses Gefühl, sie bereits von irgendwoher zu kennen, und ich starre sie bestimmt viel zu lange und viel zu intensiv an, denn plötzlich tritt ein verunsicherter Ausdruck in ihre dunkelblauen Augen und ihre Lider mit den langen Wimpern flattern nervös wie zwei zarte Schmetterlinge, bevor sie sich von mir abwendet. Auch mir ist die Situation jetzt schrecklich peinlich und ich merke, wie mir die Hitze in die Wangen schießt.
Merda, mit Sicherheit haben alle anderen mein Geglotze mitbekommen und denken jetzt, ich sei an Noahs Freundin interessiert. Ich räuspere mich und suche krampfhaft nach einem Weg, dieses bescheuerte Missverständnis richtigzustellen. »Sag mal, kennen wir uns vielleicht irgendwoher?«, frage ich Jana daher so laut, dass auch Noah und Tamara es hören. Die beiden sehen Jana erwartungsvoll an und seltsamerweise bin auch ich äußerst gespannt auf ihre Antwort.
Jana hält den Kopf schräg und zieht ihre feinen Augenbrauen leicht zusammen, während sie mich mustert. Ich spüre ein merkwürdiges, leichtes Kribbeln auf der Haut, als sie mich so aufmerksam betrachtet, beinahe, als würden mich ihre abtastenden Blicke kitzeln. Automatisch kommt mir die Frage in den Sinn, wie es sich wohl anfühlen muss, wenn ihre langen Wimpern mein Gesicht streifen.
»Nein«, stellt die Kleine schließlich fest und schüttelt vehement den Kopf. Ihr blonder Pferdeschwanz schwingt hin und her, als würde er die Aussage bestätigen. »Nein, ich glaube nicht, dass wir uns schon mal begegnet sind. Lukas, oder?«
Ich nicke mechanisch. Seltsamerweise enttäuscht mich ihre Antwort. Aber was hatte ich anderes erwartet? Natürlich kann sie sich nicht an Lukas erinnern. Kaum jemand kann das. Noch nicht einmal ich selbst, denn schließlich gibt es ihn erst seit wenigen Wochen und er ist nicht der reiche und beliebte Sohn eines weltberühmten Star-Architekten, der eine ellenlange Freundesliste bei Facebook und über 700 Nummern in seinem telefonino gespeichert hat. Er ist ein Fremder. Ein Bedeutungsloser. Ein Niemand.
Jana
Endlich wendet sich dieser Lukas wieder von mir ab. Seine intensiven Blicke haben mich total durcheinandergebracht und ich spüre immer noch eine unglaubliche Hitze in meinen Wangen. Bestimmt sind sie jetzt wieder krebsrot. Kurz überlege ich, ob ich ihn nicht doch schon mal gesehen habe, aber wenn ja, dann hätte ich mich an ihn erinnert. Er wäre mir mit Sicherheit aufgefallen. Das liegt nicht nur an seinen extrem hellen Haaren, die selbst in diesem schummrigen Raum hervorstechen, sondern vor allem daran, dass er ziemlich gut aussieht. Er ist groß, aber nicht schlaksig, wirkt sportlich, gehört aber nicht zu diesen Typen, deren Arme aussehen, als bestünden sie aus einer Reihe aufgeblasener Schwimmflügel. Und sein Lachen und seine Mimik kommen mir ganz natürlich vor. Jedenfalls im Vergleich zu Tamara mit ihrem gekünstelten Gehabe.
»Na,
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