Wenn auch nur fuer einen Tag
»Uh, ist der sauer!«
Noah lacht. »Trocken, meinst du wohl«, entgegnet er und betrachtet mich fasziniert von oben bis unten, als hätte er noch nie ein Wesen getroffen, das Champagner nicht schon mit der Muttermilch eingeflößt bekommen hat. »Man gewöhnt sich daran.«
Ich zucke mit den Schultern und nehme noch einen vorsichtigen Schluck. Wenigstens belebt mich das prickelnde Zeug wieder etwas.
»Sag mal, ist dieser Lukas eigentlich Tamaras neuer Freund?«, frage ich Noah betont beiläufig. Eigentlich sollte es mir ja vollkommen egal sein, mit wem sie zurzeit zusammen ist, aber aus irgendeinem Grund will ich wissen, wer der Neue ist und woher er Tamara kennt.
Noah zuckt mit den Schultern. »Auf jeden Fall ist sie an ihm interessiert. Aber meistens hat sie mehrere Eisen im Feuer und lässt nur denjenigen ran, bei dem es sich auch bezahlt macht. Mal sehen, wie weit es dieser Lukas schafft.«
»Was meinst du damit?«
Noah zieht vielsagend die Augenbrauen nach oben. »Sagen wir mal so, Tamara würde sich weder aufgrund romantischer Gefühle noch aus reiner Freude mit einem Typen abgeben. Es steckt immer irgendein Ziel dahinter. Als wir ein Paar wurden, sollte mein Vater in die Agentur ihres Vaters investieren, was er letztendlich auch getan hat. Und im Moment ist Tamaras größtes Bestreben ihre eigene Karriere.«
»Karriere?«, hake ich nach und kann mir einen sarkastischen Unterton nicht verkneifen. Ich erinnere mich nur zu gut an Carlas Ausführungen darüber, wie grottenschlecht Tamaras bisherige Referate waren.
»Ich glaube, am liebsten will sie Filmschauspielerin werden.«
Ich ziehe skeptisch die Stirn kraus.
»Na ja, so weit hergeholt ist das gar nicht«, verteidigt Noah sie. »Tamara hat immerhin schon ein paar erfolgreiche Werbespots gedreht. Für Eiscreme und Bodylotion. He, du kennst sie bestimmt –«
»Ja, ja, ich weiß schon«, unterbreche ich Noah schnell, bevor er anfangen kann, mir auch noch die Werbejingles vorzusingen. Ich schalte jedes Mal genervt um, wenn die sich rekelnde und verführerisch eincremende Tamara auf dem Fernsehbildschirm erscheint, und Carla boykottiert seit Neuestem sämtliche Eissorten ihrer früheren Lieblingsmarke Melt & Love.
»Kann ja sein, dass die Spots mit ihr ganz gut sind«, gebe ich unwillig zu, »aber Tamaras Vater ist immerhin der Chef der Agentur, oder? Da ist es kein Wunder, dass sie es vor die Kamera schafft. Beim Film wird sie schon mehr vorzuweisen haben als eine gute Figur und drei läppische Sätze.«
Noah zuckt mit den Schultern. »Da zählen auch nur Aussehen, Geld und vor allem die richtigen Beziehungen. Genau deshalb schmeißt sich Tamara ja auch an Lukas ran.«
»Ach, ist er Schauspieler?« Ich schiele abermals zu Lukas hinüber, betrachte sein gewinnendes Lächeln, die blonden Haarsträhnen, die ihm in die Stirn fallen, seine perfekt gepflegten Hände, die pausenlos damit beschäftigt sind zu gestikulieren, als führten sie eine eigene Konversation.
»Er selbst schauspielert nicht«, sagt Noah. »Jedenfalls nicht, dass ich wüsste. Aber Tamara hat ihn vor einigen Tagen am Set mit Blake Lively getroffen, ihrem absoluten Idol. Lukas’ Onkel ist anscheinend Security Guard oder so was in der Art. Jedenfalls hat Tamara eine Chance gewittert und sofort ihr Fangnetz ausgeworfen.«
»Und er geht prompt hinein«, murmele ich leicht verbittert.
Noah lacht auf. »Sieht ganz so aus. Aber he, versprich mir, dass das unter uns bleibt, okay? Tamara würde mich lynchen, wenn sie wüsste, was ich über sie ausplaudere.«
Ich nicke, ohne den Blick von den beiden zu wenden. Tamara lehnt sich gerade wie zufällig an Lukas und achtet ganz offensichtlich darauf, dass ihre wichtigsten Körperteile ihn auch ja streifen. Die Frau ist echt peinlich. Mit ihrem ganzen Gehabe erinnert sie mich an eine Katze, die sich einschmeichelt, nur um etwas zu fressen zu bekommen. Kurz frage ich mich, ob Lukas wohl ahnt, wie Tamara tickt. Aber selbst wenn nicht, leidtun muss er einem nicht. Er scheint sich in ihrer Gegenwart mehr als wohlzufühlen.
Angewidert wende ich mich wieder Noah zu. »Du, mir ist nicht besonders gut«, sage ich und stelle mein Champagnerglas auf einem der Stehtische ab. Tatsächlich ist das noch nicht einmal gelogen. Diese Welt, in der Noah und seine Freunde zu Hause sind, ist einfach nichts für mich, das wird mir mit jedem Augenblick klarer. Und die Regeln, nach denen hier gespielt wird, sind mir ein einziges Rätsel. »Ich gehe jetzt besser nach
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