Wenn auch nur fuer einen Tag
Magen rebellieren. Aber ich hasste meinen Vater in diesem Moment mehr als jemals zuvor. Er nahm sich genügend Zeit, mich anzuschreien, wann immer ich etwas tat, was ihm nicht passte, aber nie, um mich zu loben, wenn ich eine dieser beschissenen Prüfungen mit Bestleistung bestand. Dann hieß es lediglich: »Ich wusste, warum ich dich und nicht deinen Bruder Architektur studieren lasse«, wobei es sich jedes Mal so anhörte, als wäre mein Erfolg in Wahrheit die Meisterleistung meines Vaters. »Im Gegensatz zu Fabio besitzt du Kreativität und Mut, das sind gute Voraussetzungen, um in unserer Branche Karriere zu machen. Aber setze sie gefälligst an der richtigen Stelle ein und hör auf, ständig Blödsinn zu machen und mich zu blamieren.«
Mein Vater betonte ununterbrochen, wie wichtig es sei, den Namen Orsini nicht zu beschmutzen, dass die Familie zusammenhalten, dass jeder von uns mit Stolz zum Aushängeschild der Firma beitragen müsse. Dabei war er es, der die Familie zerstörte und das Vertrauen meiner Mutter missbrauchte. Wie oft war ich kurz davor, ihm ins Gesicht zu schreien, was ich über ihn wusste. Dass ich nicht nur über seine krummen Geschäfte, sondern auch über seine Frauengeschichten informiert war. Ich tat es nur deshalb nicht, weil ich meine Mutter schützen wollte. Wobei sie seine Lügen wahrscheinlich sogar noch abgestritten und ihren Mann verteidigt hätte, genau wie mein älterer Bruder Fabio.
»Papaund Mama haben aus Liebe geheiratet«, sagte er jedes Mal, wenn ich versuchte, mit ihm über die scheinheilige Ehe unserer Eltern zu sprechen. »Sie haben viele Opfer gebracht, um das zu erreichen, was sie heute besitzen. Und sie haben es für uns getan. Jetzt sind wir ihnen unsere Loyalität schuldig. Reiß dich zusammen, kleiner Bruder! Du siehst Gespenster, wo keine sind.«
Fabio sah immer weg, wenn es Streit gab, er wollte die beschissenen Lügen, die falschen Küsse, die fadenscheinigen Ausreden unseres Vaters nicht wahrhaben. Er wollte die Fassade einer heilen, harmonischen Familie um jeden Preis aufrechterhalten. Und ich, ich stand völlig allein da.
Als ich an jenem Nachmittag von einem megaanstrengenden Gespräch mit Pausini nach Hause schlenderte, nachdem ich ihm in den fetten Hintern gekrochen bin, ohne zu erwähnen, dass seine Tochter eine miese, verlogene Schlampe ist, legte ich unterwegs einen kleinen Zwischenstopp auf einen aperitivo ein. Plötzlich setzte sich ein gut angezogener Typ in meinem Alter neben mich an die Bar, den ich vom Sehen kannte. Später erfuhr ich, wer er war. Filippo Bernardi, der Sohn des Zeitschriftenverlegers Giovanni Bernardi. Das erste Mitglied der Rosa Nera, das sterben musste, weil er der Wahrheit zu nahe gekommen war. Filippo war es, der mir den Brief wortlos überreichte und gleich darauf wieder verschwand. Ein schlichtes Kuvert, schwarz versiegelt und mit dem Abdruck einer Rose. Es enthielt eine Einladung, oder vielmehr eine Aufforderung, die auf der Stelle meine Neugierde weckte: Du wirst am 14. Juni um 22 Uhr am Ortsausgangsschild der Via Vecchia Richtung Ostia erwartet. Komm allein. Du wirst es nicht bereuen, Matteo Orsini. Du wirst es ganz bestimmt nicht bereuen. F. A.
Lukas
Es stimmt, als ich Alberti und die anderen Mitglieder der Rosa Nera kennenlernte, dachte ich noch, ich hätte das große Los gezogen. Aber schon nach zwei Monaten kamen mir erste leise Zweifel. Hätte ich sie damals nicht ignoriert, wäre vieles anders gekommen. Dann wäre ich wahrscheinlich nach wie vor zu Hause in Rom und müsste nicht lernen, jemand zu sein, der ich nicht bin. Und es hätte kein Unschuldiger sterben müssen.
Oh doch, du mieses Dreckschwein. Ich bereue es, dass ich damals zu diesem Treffpunkt gegangen bin. Ich bereue es jeden verdammten Tag.
Jana
Mein Handy klingelt. Es ist Carla. Ich drücke auf Abnehmen, während ich weiter in dem Topf mit der dampfenden Tomatensoße rühre. »Hey, was gibt es denn?«
»Hallo, Cousinchen, ich wollte nur mal nachfragen, wie es heute gelaufen ist. Hattest du Glück bei der Jobsuche?«
Kurz überlege ich, ob das wohl ein Kontrollanruf ist, damit Carla sicher sein kann, dass ich nicht vor Einsamkeit krepiert bin, aber dann schäme ich mich auch schon für diesen Gedanken. Immerhin haben wir uns ausgesprochen.
»Hm, war ganz okay«, sage ich und probiere von der Soße. Es fehlt noch etwas Salz.
»Heißt ganz okay, du hast etwas gefunden?«
»Mmm, ich hätte zwar lieber den Job im Eiscafé bekommen, aber der
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