Wenn auch nur fuer einen Tag
überhaupt nicht. Warum sollte sie auch? Bestimmt hat sie die Schnauze voll von Noah und kennt ansonsten kein Schwein, genauso wie ich. Unglaublich, wenn ich mich an die Partys in Rom zurückerinnere. Dort war ich immer umgeben von zig Leuten und meistens sogar der Partygeber. Hier bin ich nur Gast. Und noch dazu einer, der weder ein schickes Loft noch genügend Geld für Markenklamotten und einen Partyservice hat. Wieder einmal komme ich mir vor wie jemand, der sich verbotenerweise hier eingeschlichen hat und Angst haben muss, jeden Augenblick aufzufliegen.
Mit Jana war das anders. Während wir uns unterhalten haben, konnte ich Lukas Richter sein, ohne mich dabei beschissen zu fühlen. Im Gegenteil: Zum ersten Mal habe ich mich sogar wohl in seiner Haut gefühlt.
Plötzlich fangen einige Gäste an der Bar an, laut zu pfeifen und zu johlen. Die blonden Zwillinge steigen in ihren kurzen Röckchen auf die Theke, um sich in ihrer ganzen Pracht zu präsentieren und die Hüften aufreizend kreisen zu lassen. Dabei lassen sie den davorstehenden Gästen Sekt aus Flaschen in die offenen Münder fließen. Respekt, Noah, denke ich, die Show ist nicht schlecht, auch wenn ich es wahrscheinlich noch spektakulärer hinbekommen hätte.
Ich nehme einen Schluck von meinem Gin Tonic und lasse wieder den Blick schweifen. Der wummernde Bass der Musik, die Lichter, die vielen Stimmen, all die Gesichter und tanzenden Körper um mich herum scheinen plötzlich zu einer unwirklichen Masse zu verschwimmen und ich fühle mich in eine Zeit zurückversetzt, in der ich mir ähnlich verloren vorkam und mich ständig fragte, wo mein eigentlicher Platz war. Und tatsächlich fand ich ihn – oder besser gesagt, er fand mich. Mit der Rosa Nera hatte ich auf einmal einen Kreis um mich, in dem ich mich als unersetzbares Mitglied fühlte. Wenn Fernando Alberti etwas draufhatte, dann war das, einem das Gefühl zu geben, wichtig zu sein. Ich hätte ahnen müssen, dass es einen Haken gab, dass er irgendwann Gegenleistungen für seine Großzügigkeit erwarten würde. Kein Geld, es ging nie um Geld. Nicht offensichtlich jedenfalls. Es ging um Vertrauen und Ehre, um Zusammenhalt und Loyalität. Um den gemeinschaftlichen Einsatz für etwas Großes. Hieß es …
Alberti wusste, wann er zugreifen musste. Er hatte mich im Visier, lange bevor ich ihm das erste Mal begegnet bin. Sein Brief hat mich zum exakt richtigen Zeitpunkt erreicht. An jenem Tag, an dem ich es zu Hause kaum mehr ausgehalten habe.
Ich kann mich noch genau an das rot angelaufene Gesicht meines Vaters erinnern, das plötzlich über dem meinen erschien. Ich sah es nur verschwommen vor mir, da ich mich noch im Halbschlaf befand und meine Augen vom Restalkohol völlig verquollen waren. Aber seine laute, wütende Stimme vernahm ich dafür umso deutlicher.
Matteo
»Willst du unsere Firma mutwillig zerstören?«, schrie mein Vater. »Hast du vor, unseren Namen durch deine ständigen Skandale zu ruinieren? Ist dir denn gar nichts heilig?«
»Papa, jetzt reg dich ab«, versuchte ich, ihn zu besänftigen. Mein Kopf dröhnte und ich wünschte, ich hätte gestern auf den letzten Martini verzichtet. »Wir hatten nur ein paar Drinks und anschließend haben wir uns zurückgezogen, um uns ein bisschen zu amüsieren. Was soll’s, sie wollte es genauso wie ich, bis die Paparazzi aufgetaucht sind. Da hat sie plötzlich angefangen zu schreien, als würde ich sie –«
»Spar dir deine fadenscheinigen Ausreden!«, brüllte mein Vater und ich spürte seine Speicheltropfen auf meinem Gesicht landen. Angeekelt wich ich ein Stück zurück.
»Die Wahrheit zählt nicht, wichtig ist, was die Zeitungen schreiben!«, fuhr er mit hochrotem Kopf fort. »Und in jedem dieser verdammten Blätter steht, dass sich der jüngste Sohn des renommierten Star-Architekten Luciano Orsini im Fahrstuhl des neuen Luxushotels an der Tochter des millionenschweren Hoteliers Ricardo Pausini vergangen hat, und das während der offiziellen Eröffnung! Ich habe es satt, verdammt noch mal! Du wirst das geradebiegen, wirst dich entschuldigen und wenn du Pausini auf Knien um Gnade anflehen musst, damit er die nächsten Projekte nicht platzen lässt, hai capito ? Der Mann ist unser wichtigster Auftraggeber, er verschafft uns ein Drittel des Umsatzes!«
»Ich –«
»Ich will wissen, ob du mich verstanden hast?!«
Ich hatte keine Kraft zu protestieren. Der pochende Kopfschmerz machte mich fertig und außerdem ließ der Schwindel meinen
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