Wenn auch nur fuer einen Tag
kennengelernt habe, hat die Clique angefangen, mich zu langweilen und anzukotzen. Jana hat mein Interesse geweckt, obwohl sie so anders war. Oder gerade deshalb.
»Jana, also. Aha, und wo steckt sie?«
»Wenn ich das wüsste … Ich kenne nicht einmal ihren Nachnamen oder ihre Adresse, ich weiß nur, was sie studiert!«
»Halleluja, was trödelst du dann noch hier herum? Hau ab und such sie.«
»Okay, ja …« Immer noch ziemlich verwirrt von Becks Scharfsinn und meiner eigenen Erkenntnis, welchen Einfluss Jana auf mein bisheriges Leben als Lukas Richter hatte, rapple ich mich hoch und marschiere Richtung Tür. Ich fühle mich wie betrunken, obwohl mein letztes Bier mehr als vierzehn Stunden her sein dürfte. Was genau habe ich jetzt eigentlich vor? Was will ich von Jana, wenn ich sie gefunden habe? Was sage ich ihr? Bitte ich sie um ein Date? Sage ich ihr, dass ich sie öfter sehen will, obwohl sie meinem bisherigen Frauengeschmack überhaupt nicht entspricht? Ich bin vollkommen durcheinander, aber ich fühle mich eigenartig lebendig.
»Und … Lukas?«
»Hm?«
Becks scharfer Blick durchbohrt mich förmlich und er deutet streng mit dem Zeigefinger auf mich, wie ein Lehrer auf einen ungezogenen Schüler. »Vermassle es bloß nicht!«
Jana
Ich hetze den Korridor entlang und hoffe, dass ich nicht zu spät zu »Italienische Filmgeschichte« komme. Es ist mein Lieblingsseminar, aber unser Professor, Dottore Tozzi, ist erbarmungslos und lässt niemanden mehr nachträglich hinein, wenn er erst einmal mit dem Unterricht begonnen hat. Und für italienische Verhältnisse fängt Tozzi ungewöhnlich pünktlich an.
Aber zum Glück hängen die anderen auch noch vor dem Seminarraum herum. Erleichtert verlangsame ich mein Tempo und – bleibe vor Schreck wie angewurzelt stehen, als ich Lukas’ blonden Haarschopf zwischen den Köpfen meiner Kommilitonen entdecke. Sofort beginnt mein Herz zu rasen. Zögernd laufe ich weiter und sehe, dass er sich angeregt mit Amelie unterhält. Alles klar, denke ich, es geht also um irgendeinen cliqueninternen Quatsch. Und ich Dummchen hatte doch tatsächlich für einen Sekundenbruchteil geglaubt, Lukas wäre vielleicht meinetwegen hier. Als er mich sieht, hört er sofort auf zu reden und nickt mir mit einem Lächeln zu.
Mit weichen Knien laufe ich weiter und merke, wie sich der kleine Schmetterling in meinem Bauch wieder in Startposition begibt, ohne dass ich ihn davon abhalten kann. Aber zum Glück habe ich noch meinen Stolz und meinen Verstand, und die raten mir, lieber vorsichtig und distanziert zu bleiben.
Letzte Nacht habe ich zum ersten Mal seit Noahs Party wieder durchgeschlafen, ohne zwischendurch über Lukas und Tamara nachzugrübeln, sein Foto anzustarren, zu analysieren, was mich so an ihm fasziniert, oder Strategien zu entwickeln, wie ich ihn am schnellsten vergessen kann. Ich war richtig erleichtert, als ich heute Morgen aufwachte, und dachte, dies sei vielleicht der Beginn meiner Heilung. Aber jetzt, wo ich Lukas ohne Vorwarnung wiedersehe, bin ich mir da ganz und gar nicht mehr sicher. Im Gegenteil: Allein sein Anblick wühlt wieder alles in mir auf und ich fühle mich nicht imstande, ihm ganz locker gegenüberzutreten, so wie ich es mir gestern beim Einschlafen eigentlich für unsere nächste Begegnung vorgenommen habe.
»Ciao!« Lukas macht einen Schritt auf mich zu und beugt sich mir leicht entgegen, als wolle er mich … etwa umarmen? Aber ich bleibe regungslos einen Meter vor ihm stehen und sofort nimmt auch er wieder seine normale Haltung an.
»Hallo«, erwidere ich unterkühlt, wobei ich innerlich vor Aufruhr bebe. »Hast du dich verlaufen?« Jedes dieser banalen Worte kommt mir extrem schwer über die Lippen. Ich habe das Gefühl, mein Mund wäre voller Pudding.
»Ja, also, um ehrlich zu sein, wollte ich zu dir und habe gehofft, dich hier irgendwo zu finden«, erklärt er.
Wow! Mein Schmetterling dreht einen spontanen Looping. Ich öffne meinen Mund, bin aber zu nervös, um irgendetwas Vernünftiges hervorzubringen. Dafür starre ich ihn einfach nur an und mir fällt wieder mal auf, wie unglaublich grün seine Augen sind. Ihre Farbe wirkt beinahe unecht, so, als würde man durch eine grüne Glasscherbe ins Licht schauen.
»Du bist am Samstag so plötzlich von Noahs Party verschwunden«, sagt Lukas, »da konnte ich dich gar nicht mehr fragen, ob …«
Mein Herzschlag beschleunigt sich noch mehr.
»Na ja, ob du mir vielleicht mal … äh, ein bisschen was
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