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Wenn Blau im Schwarz ertrinkt (Teil 1)

Wenn Blau im Schwarz ertrinkt (Teil 1)

Titel: Wenn Blau im Schwarz ertrinkt (Teil 1) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Andrea Huber
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ihrer erzwungenen Konzentration und Aufmerksamkeit geschuldet war. Sie hoffte inständig, dass sie keinen Fehler gemacht hatte, was die Medikation oder die in die Wege geleiteten Behandlungen des heutigen Tages betraf. Nachdem man sie zwecks Notstands in die Notaufnahme schicken wollte, hatte sie sich einen hartnäckigen verbalen Kampf mit einem der Oberärzte liefern müssen, aus dem sie glücklicherweise als Sieger hervorgegangen war. Wenn sie nur alle wüssten, was für ein Glück das in Wahrheit für die Patienten und auch für das Krankenhaus war.
    So schnell ihre müden Füße sie trugen, überquerte sie den großen Parkplatz und steuerte Richtung Straße. Da hatte sie die ganze Nacht wie ein verstörtes Häschen in ihrem Bau ausgeharrt, um sich in der Sicherheit des Tages fortzubewegen, und nun musste sie sich erneut mit der herantrabenden Dunkelheit der Winterzeit auseinandersetzen. Es war zum Heulen.
    Noch einige Hundert Meter von der Haltestelle der Straßenbahn entfernt, prallte sie plötzlich hart mit jemandem aneinander. Gerade, als sie ihrem labilen Gemütszustand durch einige unschickliche Beschimpfungen ein wenig Entlastung gönnen wollte, blieb ihr die Stimme irgendwo im Halse stecken. Mit einem Lächeln auf dem hellhäutigen und makellosen Gesicht stand er da und blicke sie an. Merkas.
    Sämtliche Farbe wich ihr aus dem Gesicht, was ganz offensichtlich die Reaktion war, die er sich erhofft hatte. „Aber, aber … warum denn so eilig? Du siehst aus, als hättest du einen Geist gesehen.“
    Sie brachte keinen Laut hervor. Mund und Kehle waren staubtrocken wie die Sahara. Hilfe suchend blickte sie um sich.
    Mit belustigter Stimme beantwortete er ihre verzweifelte Geste: „Hmmm … schon klar. Die Paradeszene wäre jetzt wohl die, dass Nikolaj als dein goldener Ritter auftaucht und dich vor dem bösen Mann rettet. Ich zerstöre deine Hoffnung und Illusionen wirklich nur ungern, aber … hast du schon mal was von einem Anti-Happy-End gehört? Meiner Ansicht nach weit authentischer als der ganze Quatsch von wegen „und sie lebten glücklich bis ans Ende ihrer Tage“. Ich finde wirklich, dass das Leben sich mal eine Scheibe von solchen Finalen abschneiden sollte. Es kann doch nicht sein, dass alles wolkig und flauschig bis ans Lebensende dahinplätschert. Meinst du nicht auch? Wo blieben da denn … der Spaß und das Abenteuer?“
    Dieser seichte und dahin geplapperte Small Talk – der ganz offensichtlich viel mehr war als Small Talk – veranlasste jede Faser ihres Körpers sich einem bevorstehenden Angriff gleich bis zum äußersten anzuspannen. Er spielte mit ihr. Weil er wusste, dass er mit ihr spielen konnte. Sie musste ihm irgendwie zeigen, dass sie keine Angst vor ihm hatte. Was natürlich eine glatte Lüge war. „Was willst du von mir? Spionierst du mir nach? Nikolaj hat dir doch schon gesagt, dass du verschwinden sollst!“
    Er fixierte sie aus seinen pechschwarzen Augen und schenkte ihr ein arrogantes Lächeln. „Mag sein, dass Nikolaj immer artig spurt, wenn du ihm einen Befehl gibst. Aber sei dir sicher: Ich bin niemand von der Sorte – und der wahre Nikolaj, ist auch nicht von dieser Sorte.“
    Sie schluckte schwer und sah sich erneut Hilfe suchend um. Was sollte sie tun? Weglaufen? Um Hilfe schreien?
    Ganz so, als ob er ihre Gedanken gelesen hätte, zog er ihre volle Aufmerksamkeit wieder auf sich, indem er weiter sprach: „Weißt du, im Gegensatz zu euch Menschen halten wir Sensaten es ziemlich einfach. Wenn wir etwas wollen, nehmen wir es uns. Kein Kopfzerbrechen. Keine Gewissensbisse. Keine Schuldgefühle. Warum sollte man sich freiwillig mit dem ganzen Mist rumschlagen? Das ist was für Feiglinge und Schwächlinge, die keinen Schneid haben. Das Leben ist da, um gelebt zu werden. Es geht um Spaß.
    Wäre es nicht furchtbar langweilig, wenn du immer schon im Voraus wüsstest, wie ein Film ausgeht? Was dir der nächste Tag bringt? Wenn du von vornherein wüsstest, dass du jedem Patienten das Leben retten könntest? Da bräuchtest du dich doch überhaupt nicht mehr anzustrengen. Das ließe den ganzen Zauber mit einem Mal in der Luft verpuffen. Gerade die Unplanbarkeit, die Unberechenbarkeit ist es doch, die die wahre Magie des Lebens ausmacht. Ich könnte dir hier an Ort und Stelle den Hals umdrehen, dir ein glückliches Leben mit Nikolaj wünschen und mich für immer vom Acker machen, oder dich ins Gebüsch zerren und so energisch durchvögeln, dass du eine Ahnung davon bekommst,

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